Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

11 
 April 
 
2012


 

https://www.youtube.com/watch?v=mk2msnme4W8

du bist min du bist mein
mittelhochdeutsch heutiges Deutsch

 

dû bist mîn, ich bin dîn:
des solt dû gewis sîn;
dû bist beslozzen in mînem herzen,
verlorn ist daz slüzzelîn:
dû muost och immer darinne sîn.
du bist mein ich bin dein
dessen sei dir gewiss
du bist verschlossen in meinem herzen
verloren ist das schlüssellein
du must immer drinnen sein.

 

Dichtung unbekannt
Lesung Ulrike Grote und Walter Kreye
Bereitstellung wortlover

 
 
7 
 April 
 
2012


 

Ich saz ûf eime steine Ich saß auf einem Steine
mittelhochdeutsch heutiges Deutsch (frei)

 

Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine,
dar ûf satzte ich den ellenbogen;
ich hete in mîne hant gesmogen
mîn kinne und ein mîn wange.
Dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer werlte solte leben:
Deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keinez niht verdurbe.
Diu zwei sind êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot;
das dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
Die wolte ich gerne in einen schrîn.
Jâ leider, des enmac niht sîn,
daz guot und werltlîch êre
und gotes hulde mêre
zesamen in ein herze komen.
Stîge unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze,
fride unde reht sint sêre wunt.
Diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.
Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine.
Darauf der Ellbogen stand;
es schmiegte sich in meine Hand
das Kinn und eine Wange.
Da dachte ich sorglich lange,
dem Weltlauf nach und irdischem Heil,
doch wurde mir kein Rat zuteil:
wie man drei Ding erwürbe,
dass ihrer keins verdürbe.
Zwei Ding sind Ehr und zeitlich Gut,
das oft einanander Schaden tut,
das Dritte Gottes Segen,
den beiden überlegen:
Die hätt ich gern in einem Schrein
doch mag es leider nimmer sein,
dass Gottes Gnade kehre
mit Reichtum und mt Ehre
zusammen ei ins gleiche Herz;
sie finden Hemmungen allerwärts:
Untreue liegt im Hinterhalt,
kein Weg ist sicher vor Gewalt,
so Fried als Recht sind todeswund,
und werden die nicht erst gesund,
wird den drei Dingen kein Geleite kund.

 

Textdichter Walther von der Vogelweide
Lesung Hans Hegner
Bereitstellung wortlover

 
 
7 
 April 
 


 

Ach,
wird mir denn je wieder
durch die Nacht ihr
wundervoller Leib leuchten,
strahlender noch als Schnee?
Der täuschte meine Augen:
Ich glaubte, es wäre der Glanz
des hellen Mondes –
Da brach der Tag an.

“Ach,
wird er je wieder den
Morgen über hier bleiben?
Möge uns doch die Nacht einmal
so vergehen, dass wir nicht zu klagen
brauchen: „O weh, jetzt ist es Tag”.
So rief er klagend,
als er zuletzt bei mir war.-
Da brach der Tag an.”

Ach,
unzählige Male küsste sie
mich im Schlafe
Da rannen ihre
Tränen nieder.
Ich aber tröstete sie,
so dass sie aufhörte zu weinen
und mich ganz umfing –
da brach der Tag an.

“Ach,
dass er sich so oft
in meinem Anblick verloren hat!
Als er die Decke zurückschlug,
da wollte er meine nackten
Arme sehn, ganz nackt.
Es war unerklärlich, dass er
sich daran nicht satt sehen konnte -.
da brach der Tag an.”

 

Textdichter Heinrich von Morungen
Lesung Katharina Thalbach und Hans Kremer
Bereitstellung wortlover