Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 Januar 
 
1995


 

[07./08.01.95]

Stille ragt das Burggemäuer
aus dem Tannenwald empor
sanft erleuchtet durch ein Feuer
kommt es mir wie Golde vor.
Gold, das schimmert in der Nacht
mit so sanftem, lichtem Schein
und in mir die Freud’ entfacht erwacht.
Doch Und ich wandle schreite weiter sinnend fort
auf verschneiten Pfadeswegen
zum geheimen, düst’ren Ort:
zur alten Kapelle, abseits gelegen.
Zur Linken mir vereiste Wiesen
auf denen saftig zwei Fichten sprießen
zur Rechten mir steht der finstre Wald
aus dem manch’ nächtlich Geräusch still hallt.

Ich wandle weiter, den Hügel hinauf
folge stets des Wand’rers Lauf.

Steig’ behende die Treppe hinab
mich nun und mi und mich am Bauwerk Blick der Kapelle erlab’.

Ein Windhauch säuselt mir ums Ohr,
als ich steh verharre am vor dem Eingangstor.
Rechts und links zwei ein Wächter aus Stein
behüten die Ruh’ der Kapelle fein.

Plötzlich ein Glockenschlag erschallt,
zerreißt die Stille, das Blut in mir wallt.
Es ist des Abends siebte Stunde,
so hallt es von des Talesgrunde.

Zeit für mich, nun heimzukehren,
sonst könnt’ die Finsternis mir übles [Übles] bescheren.
Ich darf Sollt’ ich an dieser Stätte nicht mehr länger verweilen
sonst könnte die Nacht mich jäh ereilen.

 
 
1 
 Januar 
 
1995


 

Was ist die Liebe
mit ihrem himmlischen Triebe ???

Wie ein Sproß, der im Herzen in mir aufgeht
erbärmlich um nach Erfüllung fleht,

Ich kann mich ihrer nicht verwehren,
soll sie mich denn nun ganz verzehren ???

Da ich so schwach, bin ihrer ich nicht mächtig,
mein’ Lebenskraft ist ja so schmächtig.

Ob hier auf Erden ich Ruhe fände,
ich leg’s herr Jesu in deine Hände !!!

verzehrt die Kraft, raubt mir die Zeit
fügt zu dem lähmt den Schaffensdrang, manch’ oh welch’ Leid.

Ich möchte wirken, atmen frei,
doch der Liebe Tyrannerei [Tyrannei?]
knechtet mich, legt und leget mich in Eisen
ich armer Jüngling muss verdreißen.

Drum kämpf’ ich dagegen aus Leibeskraft
zu sprengen die Ketten der Leidenschaft,
doch all’ mein Hasten ohne Rasten
mein Widerstreben ist vergeben,
ich kann nicht widersteh’n der Liebe Macht,
die mich in diese Sklaverei gebracht.
Ich bin ein Sklave meiner Gedankenwelt,
aus derer doch die Liebe quellt.
Der Herzensbrunn fließt über gar
bewässert die Seel’ so wunderbar.
wie ist es denn um mich bestellt ???

 
 
1 
 Januar 
 


 

evtl. Orthographie- und Interpunktionsfehler wurden belassen

Thor’s musikalischer Hammerschwung
im Widerstreit mit Apollo’s goldenen Harfenklängen

Ein Loblied auf die Vielfalt des Lebens,
die Wahrung der Identität trotz intellektueller Schwankungen
im Erdental tümmelnden Menschengevolks

Es spielen

Thor
in moderner Befrackung wie T-Shirt, Bermuda-Hose, Sonnenbrille,
wanderträchtiges Schuhwerk (hochgeschnürte orthopädische Schuhe),
Haare eingegeelt und grüngefärbt
steht symbolisch für
(behinderte) Menschen mit motorischen (spastischen) Einbußen,
allerdings Höchstmaß an Individualität

Apollo
gegenwärtig in Gestalt eines liebsäuselnden Windstoßes
steht symbolisch für
das menschliche (utopische) Idealbild,
Nichtduldung “unterentwickelten” Daseins,
Klischeedenken vieler “Normal-Menschen” (Uniformität)

Einst ersann Thor, sich des Menschen Schlagzeug zu bemächtigen und trat bei Apollo in die Akademie der musischen Künste.

Thor, im Unterrichtssaal auf den Meister harrend und von tatendrängender Ungeduld getrieben, ließ sich wirkenden Sinnes hinter einem Schlagzeug nieder und versucht nun eigenmanierlich, dem Instrumente Töne zu entlocken.

Apollo kommt windesheulend bestürzt herbeigeeilt.

Apollo
Seht, seht ! Ein Jugendsproß, der dem Zeitgeist frönt,
dem musisches Taktgefühl gänzlich entwöhnt,
betäubet mir mein Zartgehör, bedrängt
die laue Magengrube und verrengt
mit Trommelwirbel und Paukenlärm
das sich verkrampfende Gedärm …

Thor
Dies Stöckeschlagen ist der Puls der Zeit,
der rasend schlägt und hämmernd Euch befreit
vom Packeis treibender Traditionen …

Apollo
leicht in Rage
… und dafür pfleg’ ich keine Ambitionen !!!

– Pause – danach ernüchtert Thor belächelnd

Nehmt Euch doch selbst in Augenschein :
Die Haarestracht, verkrustet zu Zementgestein,
und grüngefärbt, mich dünkt sie schimmlich!
Der schnöde Kleidertand,
dies kostümierte Flattergewand,
erscheint vom Preis mir unerschwinglich,
weil selbst der Schneider teuren Stoff einsparte,
sodaß im Arm- und Beinbereich,
bloßgelegt das nackte Fleisch,
sowohl das zärtlich glatte als auch das kräuselnde behaarte !

Welch Nutzen zollen diese dunklen Augengläser ???
Seid ihr am grauen Star erkrankt ?

Plagt Euch ein körperlich’ Gebrechen,
denn weil der schwanke Gang sonst wankt,
der keineswegs von Standvermögen ist beseelt
schnürt ihr das Schuhwerk, wie Efeupflanzen hochgerankt,
das Eure schlaffen Sehnenbänder stählt ?

Ein Ausbund modischer Vernarrtheit,
ein Schmückstück jeglichen Maskenballs
gibt Zeugnis unredlichen Modezerfalls,
des Menschen Wahnsinns wohl geweiht ?

Thor
Ihr schimpfet meine grelle Garderobe,
blanke Tändelei der Zeit,
doch seid gewiß, daß ich mit vollem Lobe
mich rühme dieser Kläglichkeit.

Apollo findet keine argumentative Erwiderung und läßt sich an der Harfe nieder

Apollo
Der Worte sind genug geflossen,
so laßt uns unbefangen, unverdrossen,
zu tätigem Werke nunmehr schreiten,
Euren ungebändigten Geiste striegeln,
den wildentflammten zum Gleichmaß zügeln,
sogleich in luft’ge Höhen aufzugleiten,
wo güld’ne Klänge uns entgegensonnen,
himmlische Harfenlaute uns bewonnen,
und von seliger Lauterkeit betört
des Herzen’s Einheit wiederkehrt,
die Ihr mit lautem Getöse entzweie schluget !!!
Ihr, Banausen-Hirn, schleicht Euch unbefuget
ins musikalische Konstrukto,
obwohl des Genius Mächten Euch entfloh.
Ihr schlürft aus seichten, stinkenden Tümpeln,
muß eines Besseren Euch belehr’n,
den geistigen Unrat zu entrümpeln,
das Herzensstübchen auszukehren.
Senkt seinen Blick
Lauscht meinem zarten Windesspielen
und laßt den überhitzen Geist Euch kühlen,
der sonst in blinder Raserei verglüht,
denn nur wer ohne Unterlaß bemüht,
den dumpfen Hammerschlag schmetternder Stöckchen,
bleibeschwert,
verkehrt
in einen sanften Schwebeflug eiskristall’ner Flöckchen,
vermag durch bedächtiges Trommelstreicheln,
dem sinnenden Publikum genüßlich zu schmeicheln.
Ihr schürt verwegen
des Herzen’s Ofen voller Überschwang,
daß jede süße Speise überkocht.

Apollo’s Götterodem streicht belebend durch die aeolische Harfe

Apollo
Verspürt hingegen
der Seele leichten Wellengang,
der flehend an die Herzenspforte pocht,
Wie bunte, aufgestiegene Herbstwinddrachen
bricht helles, unbeschwertes Kinderlachen,
sich unaufhaltsam Bahn,
erkaltete Herzen sonnen sich warm,
es schmilzet jeglich Herzensgram,
süß verfallend diesem heiligen Wahn.

Thor mißachtet die belehrenden Worte und trommelt nach eigenem Gutdünken wild darauf los …

Apollo
Gemach, gemach,
als ob ein Bienenschwarm
Euch stach,
erlieget ihr der wilden Tobsucht,
mit voller, ungedämpfter Wucht,
dem Instrumente Klänge zu entlocken –
Und anstatt in Augenleuchten zu frohlocken,
muß mir der rauhe Atem stocken.
Laßt doch Eurer Stöcke Donnerbeben,
voller Anmut niederschweben.

Thor
Wenn mich der Muse Freudenschauer küßt,
so biet’ ich auch die and’re Wange dar.
Doch wenn der Plagegeister Polterschar
mich bedränget, würgend brüst’t,
entfliehet der seligen Empfindung Überschwang.
Zerronnen ist der Seele hebender Lobgesang
und der Freude Jubelklang ermattet,
wenn Seelengrame schwängernd mich begattet.
Gewiß,
der mißratende Ton
klang holder schon.

Ihr seid lichtend rege in Euren Schädelwänden.
Ich leid’ gichtend träge an schroffen Künstlerhänden.

Eure geistige Liebkosung
kündigt sich durch Flüsterung,
meidend jegliche Ertosung.
Meine aufgescheuchten Bässe
der Musen heiterer Exzesse
unholdsamen Kusses
gebieret des Musicuses
eintretende Blässe.

Ihr zupft der Musen goldene Saite,
das Harfenspiel auf himmlischer Weide
und schimpfet meine schlichten Künste
des Banausen närrischen Ausgedünste.

Sprecher
Doch wessen Gesanges rührende Kunst,
erntet des Hörer’s applaudierende Gunst ???

Der Rauscher schrillen ultimativen Trommelgeblänges ?
Der Flauscher stillen rezitativen Operngesänges ?

Totenbleich vegetieren ?
Farbenfroh brillieren ?

Rebellisch aufwühlsam ?
Höllisch einfühlsam ?

Dumpfes Bässe-Scheppern ?
leckeres Tönekleckern ?

Promptgebärender Regenprall ?
Ewigwährender Wasserfall ?

Ölige Sommerpfütze ?
Morgentau-Geklitze ?

Verhöhntes krönen ?
Verschöntes verpönen ?
Wem nun Schulterklopfen löhnen ?

Sind schon die abstrusen Klänge
Kind vom Musengeschwänge ???

Mehr ein mitleidbegossenes Sorgenkind
kunstbefrackter Ohrenschmauser
schwärmend reckend
für den melodiösen Säuselwind.

Ein abgelackter Ohrenbrauser
wärmend streckend
indes findend sich ersinnt
in den lautgebarenden Künsten wildem Gehege
des Donnerwaltens rauhem Stege
hagelschmetternden Gelautens
des Leben’s Fährte goldenem Wege.
Verschmähet die tiefragenden Gründe
der sanften ‘Streicher’-Winde
still bewogten seligssprechenden Flautens.
Erfreut
sich jeglicher Dornensaat,
was reißend wunded,
wird ergötzlich befunded,
schwant seinem Herzen butterzart
und dünkt sich fest vertäut
im Hafen höchster Sinnesfreud’.

So bricht sich selbst des Leben’s Woge Bahn :

Dem rauhen Geist sonnt Klingelglöckchen schlicht profan,
ihm wonnet mehr pompöses Glockengeläut.
Dem zarten Kind indes der seligen Musengötter,
entfliehet den Klängen lauttösendem Gewetter.

Es rühmet sich des Schöpfer’s Werke
in bunter, mannigfaltiger Gestalt
erlanget wahre Glanzesstärke
erst durch der Fülle wechselnder Gewalt.

Und so wie Flora tausendblütig farbenlichtern
die Waldbewohner brüderlich versühnt,
wird erst im trauten Bunde aller Stände,
der Wohlgewandeten und Schlichter’n,
durch Segensgruß lorbeerumwund’ner Hände
der Menschen Freunschaftsband begrünt.