Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

15 
 September 
 
2011

abgelegt in
Briefe | Gedankenschau

 

Mit dem Begriff “Frau” meint die Öffentlichkeit jene 98% der weiblichen Bevölkerung, an denen ich eh nicht interessiert bin und in den letzten zwei Lebensjahrzehnten mir suggestiv einredete bzw. medial instruiert einreden ließ, ich wäre an jenen interessiert.
Meine Definition indessen der verbliebenen 2% “Frau” unterliegt einem Kategorienschema, das sich nicht am äußerlichen Erscheinungsbild verschwendet, von Schönheit langweilen lässt und tiefer dringt, tiefer als ein Senkblei je erforscht (Shakespeare).
Ich würde es mit “weiblicher Anmut” überzeichnen, aber das versteht wiederum keiner und ich bin es leid geworden, Mühe aufzuwenden, um in diesem Punkt verstanden zu werden.

 
 
5 
 September 
 
2011

abgelegt in
Gedankenschau

 

Heute auf dem Postamt.
Keine tumultarische Warteschlange und nach unverzüglichem Aufruf der Postangestellten lege ich meinen zu versendenden Brief auf den Tresen und kommentiere diese Handlung salopp und wortknapp mit einem: “Einmal normal bitte!”.

Und während die Bedienung akkurat und pflichtbeflissen den Brief abwiegt, wäge auch ich meine Worte ab: “Aber was ist heute schon noch normal bei all den verrückten Dingen? (Lächelnd) Tja, was ist da noch normal? Vermutlich ist dieser Normal-Brief noch das einzig Normale überhaupt… (gespieltes Grübeln)“.

“Nun, auch beim Brief gibt es viele Varianten!”, erwiderte die fachkundige Postangestellte, während sie meinen schlicht normalen Brief mit einem noch schlicht normaleren selbstklebenden Briefmarkenetikett, farb- und motivlos, versieht.
“Gut, dann hätte ich doch gern eine Sondermarke!”, in der Hoffnung, dem normalen Brief doch noch Exklusivität zu verleihen…

 
 
30 
 August 
 
2011


 


 
Ich finde das Bild des liebevollen, himmlischen Vaters, das Jesus uns im Gleichnis des verlorenen Sohnes gezeichnet hat, weitaus stimmiger, gotteswürdiger und vor allem menschenfreundlicher als die etwas abwegig gekommene “Schäfer”-Metapher Davids in Psalm 23.

Sicherlich ist ein Schäfer bemüht, seine Schafherde zu behüten.
Doch letztlich dient diese Bewahrung nur dem eigensinnlichen Bestreben des Schäfers, den wirtschaftlichen Nutzen seiner Herde zu sichern (in der Banksprache lautet dies: Effektive Verzinsung des eingesetzten Kapitals).
Die wirtschaftliche Nutzung (Wolle, Milch und Fleisch) steht im Vordergrund, nicht der authentisch liebende Bezug.

Während uns also Jesus mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn in die liebenden, herzlich empfangenden Arme des himmlischen Vaters treibt (Amen! so soll es auch sein), treibt der Schäfer in Psalm 23 seine Schutzbefohlenen über kurz oder lang zur Schlachtbank.
Das malerische Schäferidyll der “grünen Auen” und dem “frischen Wasser” von David kann mich aus heutiger Sicht (→Massentierhaltung) nicht gänzlich überzeugen und gereicht schließlich nicht der Hoheit des Gottesbildes.
Aber Christen leben ja nicht mehr unter dem Gesetz (AT), sondern unter der Gnade (NT), der Freiheit, und daher beanspruche ich persönlich für mich das Vaterbild, das uns Jesus vermittelt.

 
 

Ich denke, jeder kann aus den Erzählungen der Bibel jenes für sich persönlich beanspruchen, welches ihm Kraft und Stütze spendet in Zeiten der Not.
Die Geschichten/Metaphern sind letztlich zusammengetragene, geronnene menschliche Erfahrungen zu allen Zeiten der Menschheit und lassen sich oft auf die Gegenwart, auf den gegenwärtig-aktuellen, ganz privaten Kontext übertragen („Übertragung“ von meta-phorein (griech.) „übertragen, übersetzen, transportieren“).
Die Geschichten haben eben nicht an Aktualität verloren (ähnlich wie die Schiller-Dramen), weil sich der Mensch von damals in seiner Grundstruktur nicht wesentlich geändert hat, ebenso die göttlichen, allwaltenden Prinzipien.

Insofern berührt mich auch nicht die Debatte, welche Religion denn nun von welcher abgeschrieben haben könnte, ob sich z.B. der Autor des ATs am durchaus älteren Gilgamesch-Epos bedient hat. Parallelen hierzu gibt es genüge.

Wieso bin ich nicht an “Plagiats-Debatten” interessiert?
Weil es bei religösen Erzählungen immer primär um menschliche Erfahrungen geht.
Weil nämlich nicht nur in jeder religiösen Geschichte eine Ur-Erfahrung mit Gott uns nahe gebracht wird, sondern hinter allem ein Hoher Wille steht, den die Christen “Gott” nennen, die Muslimen “Allah”, die Juden “Jehova”, …

Wer nunmehr behauptet, die Bibel sei eine Ansammlung von Märchengeschichten, der hat mit der falschen “Lesebrille” gelesen und die poetischen Gestaltungsmittel (z.B. Spannungskurven, göttliches Eingreifen) des jeweiligen Autors verkannt, dem es am Herzen lag, nicht die Wirklichkeit 1:1 abzubilden, sondern eine theologische Grundaussage mittels einer einprägsamen Geschichte zu transportieren.

Aber das ist Ansichtssache.
Darüber streiten sich “bibeltreue” und “lauwarme” Christen noch heute.