Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

18 
 Juni 
 
2017


 

Pompejanisches Fresko

 
Musik
Frédéric Chopin [1]Nocturne Op. 9, No. 1
Tünchend verhüllet der edlen Kunst
schwungvoller Pinsel
ergötzend mit lieblichem prangendem Reize
des Lebens erschauerndes Bild.
 
Doch blättert in Bälde
vom Lichte der Wahrheit bedränget
der farbliche Schleier
und rühret am fühlenden Herzen.
 
Vom Seufzton erschüttert
entblättert von Neuem
das Schreckbild dämonischer Fratzen,
die lechzend nach Weheklang lüstern.
→ zu Mnemosynes Geleit
Eherne Welt

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25 
 März 
 
2017


 

Musik
Wojciech Kilar [1]Twilight Cellos

Der Erinnerung Unsterblichkeit [2][ geschrieben in Unterschwarzach, 2002]

Trau’re doch nicht dem erblühten Gedanken des lichten Momentes
bittere Tränenflut [3]Perlenflut nach, wenn die mächtige Hand
nachtenden Scheines nun jäh dein Gedankenreich deckt mit Vergessen,
jenen sonnigen Hain hüllet ins Schattengewand,
dem der zärtliche Lichtstreich der Freiheit einst Prachtwuchs bescherte.

Nun, der Lichtflut beraubt, rückt das Gefild der Ideen
tauchend ins Schattenreich ab. Es entschwelgt das selige Schauen…
Sei getrost und erfreu himmlischer Gabe dich doch,
dass der Freiheit Sommerwind streichend den Forst mild durchglänzte,
deinen geheiligten Grund blumen Geistes Bezirk!

Geistesblüten, sie welken nicht. Morpheus [4]Gott des Schlafes, die nächtliche Gottheit,
bangt um den lieblichen Reiz. Treu im Liebesarm wiegt
sicher den Liebling er, deckt mit ambrosischem Schlafe die Blüte,
mattet das Farbengewand und, mit sachtem Geschick,
senkt er den Kelch des Geblüms zum Schoße der schwärzenden Erde,
senkt in den ruhenden Schoß sinnenden Herzensgrund ihn.

Heilige Erde, du Heimstatt der scheuen Gedanken, beherberg’
frei die verwaiste Geburt geistigen Adels. Gewähr’
fürstlich ein Obdach dem nächtlichen Gaste in deinem Schoße.
Gönn’ dem untadligen Schlaf kühlende Ruhstatt gelind!

Reich der liebkosenden Schatten, oh weile als wachender Hüter,
bis im dämmernden Tal purpur Aurora [5]Göttin der Morgenröte entflammt,
wo mit loderndem Brand sie Helios’ [6]Der Sonnengott Auge beschüret.

Schimmernd woget die Glut übers Gefild der Ideen,
Nebel verziehen im Blumenhain, Schatten, sie weichen entmachtet.
Siehe, da neigt das Geblüm schmiegend dem Lichtstreich sich zu,
badet sich munter im warmen Lichtmeer erwachenden Tages.

Und Mnemosyne [7]Göttin des Gedächtnisses daselbst küsst es mit Morgentau wach.

→ zu Mnemosynes Geleit
Eherne Welt

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9 
 März 
 
2017


 

Herbstender Sommerhain

Oh, entflieht doch, ihr schweigsamen,
mir einst teuren Gefilden,
entfremdeter Natur betöret mich ferner
Chloris’ [1] Chloris ist die Göttin der Blüte welkes Blumenband
jenseits heiler Kunst!

Mehr verlanget mir
nach eines fühlend’ Herzens kühlem Schattenhaine,
wo des Sängers totgeschwiegener Geist frei wandeln darf,
wo lausches Ohr ihm zugeneigt
und bäldigste Genesung wird zuteil
durch heiliger Lippen balsamischer Rede.

Nur dort frohlockt,
erbebt die matte Brust in sel’gem Jubilieren,
wiegt sich beflügelter Gedanken zwitschernder Reigen
in höchsten Tannenwipfeln.

Und des spendenden Trostes treues Geleit
stützt der Bürde schweren Gang,
auf dem rauen Steg der wirren Zeit.

Heil den Trösterworten,
die mit wahrem Frühlingstau
die Wunden lindernd mir benetzen,
die befiedert als zwitschernd und fächelnde Schar
mich mit süßem Singspiel sonnen
und zarter Worthauch mich zugleich bekühlet.

Ewigerschallender Hymnengesang
dem reinen Gedankenweben heiliger Empfindung,
dessen Worte Blumenlese mit duftender Entsendung
vermag das fahle Haupt mir schmückend zu bekränzen,
liebgeflochten die Schläfe adelnd zu umwinden.

Doch er welkte dahin, der mattgewordene Rosenblick,
flaut kehrte sich die ambrosische Brise ihrer Seele Zauberhauch.

* * *

Scheidend löst ein buntes Blatt sich vom Geäste
munter tanzend in den gold’nen Morgenlüften,
lockt es eifernd zu dem letzen Freudenfeste
Laubgesell’n, in ihren farbenfrohen Klüften,
um nach berauschtem Himmelsritt
kühn im stählernen Blau,
gleitend zu landen im spinnbenetzten Gräsertau.

Der milde Sommer im Busen verstreicht
und weicht
dem fahlen Welken muntrer Tage.

→ zu Mnemosynes Geleit
Eherne Welt

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