Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

20 
 März 
 
2021


 

Marcus Aurelius - Marc Aurel - Mark Aurel

Mark Aurel
 

Von Alexander aus Phrygien, Lehrer im Fach der Grammatik,
sah ich, dass er mit Schonung gegen jedermann nur ver-
fuhr, denn er machte niemals beleidigend eine Bemerkung
bei einem fremdartig oder gar sprachwidrig erscheinenden Ausdruck
wegen oder wenn sonst jemand fehlerhaft sprach; hier nun nannte
einfach den richtigen Ausdruck er, allerdings nicht in jener
klügeren Art korrigierend zu wirken, sondern als wäre
dieser auch noch so falsch geratene Ausdruck nun Antwort
oder Bestätigung gar, untersuchend nicht etwa das Wort, das
schmählich missratene, sondern die fragliche Sache, den Kern der
eigentlichen Thematik. Und oft verstand jener Lehrer
trefflich es auch, eine Peinlichkeit sprachlicher Unart zu kaschier’n,
wieder zum Thema zu finden und so etwaiges Gelächter
höhnender Menge zu meiden, mit themengelenktem Ausweg.
 
 
2 
 März 
 
2021


 

Marcus Aurelius - Marc Aurel - Mark Aurel

Mark Aurel

 

 

Von Apollonius lernte ich die freie Denkart,
zwar mit Bedachtsamkeit, doch ohne Wankelmut auf nichts Rücksicht zu nehmen
als auf die gesunde Vernunft und stete Seelenruhe zu bewahren
unter den heftigsten Schmerzen, beim Verlust eines Kindes
und in langwierigen Krankheiten.
Er war mir ein lebendiges Beispiel,
wie man zugleich ernsthaft und doch leutselig sein könne.
Er zeigte sich beim Unterrichte nie mürrisch oder ungeduldig
und war dabei auf seine Lehrgeschicklichkeit
nicht im geringsten eingebildet.
Von ihm endlich lernte ich,
wie man Wohltaten von Freunden anzunehmen hat,
ohne sich weder zu demütigen
noch auch unerkenntlich dafür zu sein.
 
 
1 
 März 
 
2021


 

Marcus Aurelius - Marc Aurel - Mark Aurel

Mark Aurel

 

Sextus war mir das Muster des Wohlwollens, das Beispiel eines echten Familienvaters; an ihm lernte ich, was es heißt, nach der Natur leben.
Seine Würde hatte nichts Gezwungenes, er wußte zuvorkommend die Wünsche seiner Freunde zu erraten und ertrug geduldig die Unwissenden und diejenigen, die ohne Überlegung urteilen.
Er schickte sich in alle Menschen, und so fand man seinen Umgang angenehmer als alle Schmeicheleien, und dabei empfand man gleichzeitig eine tiefe Hochachtung für ihn.
Er verstand es, die zur Lebensweisheit erforderlichen Vorschriften klar und regelrecht zu entwickeln und zu verknüpfen.
Man bemerkte niemals das geringste Zeichen des Zornes oder irgendeiner andern Leidenschaft an ihm, aber bei aller Leidenschaftslosigkeit war er der liebreichste Mensch. Er hielt auf den guten Ruf, jedoch ohne Aufsehen, er war ein Gelehrter ohne Kleinigkeitskrämerei.