Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 August 
 
2011


 

Eurydike, anmutige Baumnymphe und Zartspross edlern Triebs, entfloh des Aristaios’ jäh entflammter Begierde und ward in aufgebrachter Unacht von nied’rer Schlangenbrut gebissen. Eurydike erlag dem gieren Raffzahn und fuhr hinab ins Totenreich.

Orpheus, Sohn der Muse Kalliope und wehklagender Gatte Eurydikes, folgte der Spur der Entschwund’nen zum Ort des ewigen Dunkels, ersonn mit Saitenspiel und Beigesang die Gunst des Schattenfürsten zu erringen und erhob die Klage, mit der Seele mattem Flügelschlage.

Jener ward betört von Orpheus erhabener Kunst und gewährte den Liebenden freies Geleit.

Orpheus voran, Eurydike im treuen Gefolge, gelobte der Sänger dem Hades nicht der Liebsten Antlitz zu schau’n auf dem Rückweg aus dem Reiche der Schatten.

Die Teure indes gewahrte den geifernden Kerberos, hündischer Hüter der Schwelle zum Orkus. Es bangte ihr Busen und fasste des Liebenden Hand. Schauernd wandte sich Orpheus zum zitternden Weibe … und brach sein Versprechen.

Somit wurde Eurydike Orpheus, dem Untröstlichen, gänzlich entrissen, des Orkus’ Pforten auf ewig verschlossen.

Des Todes Schatten bleierne Kuss lag schmachtend auf zarter Seele welkem Geblüte und schlug den Musensohn in Banden.

 
 
13 
 August 
 


 

Fürwahr, sein dumpfer Augenschein war lichter schon entflammt und loderte einst den ungetrübten Wonneglanz muntrer Erdentage, damals mit ihr auf dem unbeschwerten Pfad seiner Jugend.

Damals, als sie noch beide im milden Dämmerfluss der Abendröte mit erheiterndem Blick auf den heimischen Fluren durch die rankbewachsenen, thrakischen Bergwälder lustwandelten und mit frohem Schritte aller Banden gelöset sich dem ewigen
Herzensfrieden anbefahlen, frei vom Regelzwange einer gefühlserkalteten, mechanisch gefügigen Welt.

Nicht selten entfloh ihr Zartgeist dem wirren Lärmen jener Welt, die in ihrer heillosen Geschäftigkeit mit eifernder Glut nach materieller Glückseligkeit gierte, die mit ihrer gutbürgerlichen Tüchtigkeit die berstenden Kammern häufender Habe zu füllen gedachte, um im erquicklichen Bade des Geldstroms das sorgende Jammern der Seele
zu ersäufen, anstatt des Herzens zartwurzelndes Sehnen nach höher’m Erdenglück gebührend zu stillen.

Ach, wie treu wogen Orpheus und Eurydike indes die stillen Momente im Heiligtum der empfangenden Natur, die sie in ihren blumen Purpurmantel bergend hüllte und beide im trauten Flüstertone Liebesworte fromm einander beichten durften.

Duftend offenbarte er sich ihnen, der milde Jugendtraum, der sich mit zarter Gravur tief in ihre kindbewahrten Herzenstafeln senkte.
Doch alles schwindet, alles auf dem Erdenkreise schwindet und mündet kläglich ins weite Meer der Vergänglichkeit.

Wo munter Knospen brechend zum Leben neu erwacht, pralle Blumenkelche angeschmiegt, wie dufter Blütenstaub verfliegt, was eben noch blühend senkt sich in ewige Todesnacht.

Orpheus, der Liebsten nun beraubt, drang entschwelgter Brust auf die entlegene Flur der einst so trauten Zweisamkeit.

Doch sie waren versiegt, die muntren Quellen irdischer Wonnen, und stiller denn je streiften die trauten Winde durch des Haines einsamer Gründe.

Freud erloschen, der gesenkte Blick, im Felsengrab umlagerter Trauergedanken, ließen der Plagegeister Brüderschaft den gelynchten Hoffnungsschimmer am Galgen der Untröstlichkeit hoch baumeln.

 
 
13 
 August 
 


 

Oh, entflieht doch, ihr schweigsamen,
mir einst teuren Gefilden,
entfremdeter Natur betöret mich ferner
Chloris’ welkes Blumenband
jenseits heiler Kunst!

Mehr verlangt mich
nach eines fühlend’ Herzens kühlem Schattenhaine,
wo des Sängers totgeschwiegener Geist frei wandeln darf,
wo lausches Ohr ihm zugeneigt
und bäldigste Genesung wird zuteil
durch heiliger Lippen balsamischer Rede.

Nur dort frohlockt,
erbebt die matte Brust in sel’gem Jubilieren,
wiegt sich beflügelter Gedanken zwitschernder Reigen
in höchsten Tannenwipfeln,
und des spendenden Trostes treues Geleit
stützt der Bürde schweren Gang,
auf dem rauen Steg der wirren Zeit.

Heil den Trösterworten,
die mit wahrem Frühlingstau
die Wunden lindernd mir benetzen,
die befiedert als zwitschernd und fächelnde Schar
mich mit süßem Singspiel sonnen
und zarter Worthauch mich zugleich bekühlet.

Ewigerschallender Hymnengesang
dem reinen Gedankenweben heiliger Empfindung,
dessen Worte Blumenlese mit duftender Entsendung
vermag das fahle Haupt mir schmückend zu bekränzen,
liebgeflochten die Schläfe adelnd zu umwinden.
Doch er welkte dahin, Ihr mattgewordener Rosenblick,
flaut kehrte sich die ambrosische Brise Ihrer Seele Zauberhauch.

Scheidend löst ein buntes Blatt sich vom Geäste
munter tanzend in den gold’nen Morgenlüften,
lockt es eifernd zu dem letzen Freudenfeste
Laubgesell’n, in ihren farbenfrohen Klüften,
um nach berauschtem Himmelsritt
kühn im stählernen Blau,
gleitend zu landen im spinnbenetzten Gräsertau.

Der milde Sommer im Busen verstreicht
und weicht
dem fahlen Welken muntrer Tage.