Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

11 
 April 
 
2012

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Du bist ein Schatten am Tage,
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

Wo ich mein Zelt aufschlage,
Da wohnst du bei mir dicht;
Du bist mein Schatten am Tage,
Und in der Nacht mein Licht.

Wo ich auch nach dir frage,
Find’ ich von dir Bericht,
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

Du bist ein Schatten am Tage,
Doch in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.

 

Dichtung Friedrich Rückert

 
 
11 
 April 
 


 

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Du sagst, du drehest dich um mich.
Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich werde
In meinen Nächten hell durch dich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Sie sagen, du veränderst dich.
Allein, du änderst nur die Lichtgeberde,
Und liebst mich unveränderlich.

Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;
Nur mein Erdschatten hindert dich,
die Liebesfackel stets am Sonnenherde
Zu zünden in der Nacht für mich.

 

Dichtung Friedrich Rückert
Lesung Hannelore Elsner
Bereitstellung wortlover

 
 
4 
 Februar 
 
2012


 

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Juli 1906, Paris

 

Textdichter Rainer Maria Rilke
Lesung Ulrich Mühe
Bereitstellung wortlover