Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 August 
 
2012


 

DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Nelly Sachs
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Einer
wird den Ball
aus der Hand der furchtbar
Spielenden nehmen.
Sterne
haben ihr eigenes Feuergesetz
und ihre Fruchtbarkeit
ist das Licht
und Schnitter und Ernteleute
sind nicht von hier.
Weit draußen
sind ihre Speicher gelagert
auch Stroh
hat einen Augenblick Leuchtkraft
bemalt Einsamkeit.
Einer wird kommen
und ihnen das Grün der Frühlingsknospe
an den Gebetmantel nähen
und als Zeichen gesetzt
an die Stirn des Jahrhunderts
die Seidenlocke des Kindes.
Hier ist
Amen zu sagen
diese Krönung der Worte die
ins Verborgene zieht
und
Frieden
du großes Augenlid
das alle Unruhe verschließt
mit dem himmlischen Wimpernkranz
Du leiseste aller Geburten.

 
 
24 
 August 
 


 

DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Nelly Sachs
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Vielleicht aber braucht Gott die Sehnsucht,
wo sollte sonst
sie auch bleiben,
Sie, die mit Küssen und Tränen und Seufzern füllt die
geheimnisvollen Räume der Luft-

Vielleicht ist sie das unsichtbare Erdreich,
daraus die glühenden
Wurzeln der Sterne treiben-
Und die Strahlenstimme über die Felder der Trennung, die zum
Wiedersehn ruft?

O mein Geliebter, vielleicht hat unsere Liebe in den Himmel
der Sehnsucht schon Welten geboren-
Wie unser Atemzug, ein-und aus, baut eine Wiege für Leben
und Tod?

Sandkörner wir beide, dunkel vor Abschied, und in das goldene
Geheimnis der Geburten verloren,
Und vielleicht schon von kommenden Sternen, Monden und
Sonnen umloht.

 
 
24 
 August 
 

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DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Donata Höffer
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Unter deren Blicken getötet wurde.
Wie man auch einen Blick im Rücken fühlt,
So fühlt ihr an eurem Leibe
Die Blicke der Toten.

Wieviel brechende Augen werden euch ansehen
Wenn ihr aus den Verstecken ein Veilchen pflückt?
Wieviel flehend erhobene Hände
In dem märtyrerhaft geschlungenen Gezweige
Der alten Eichen?
Wieviel Erinnerung wächst im Blute
Der Abendsonne?

O die ungesungenen Wiegenlieder
In der Turteltaube Nachtruf –
Manch einer hätte Sterne herunterholen können,
Nun muß es der alte Brunnen für ihn tun!

Ihr Zuschauenden,
Die ihr keine Mörderhand erhobt,
Aber die ihr den Staub nicht von eurer Sehnsucht
Schütteltet,
Die ihr stehenbliebt, dort, wo er zu Licht
Verwandelt wird.