Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 August 
 
2011


 

Tribut für die unbeschwerten Kindestage
 
Dumpf steigt aus kühler Herzensgruft
der bersten Glocke Leidgesang,
der lüftewiegend durch die kalte Geistesnacht
gespenstisch raunt und Tränenzoll erheischt.
Gewiss, Tränenzoll,
als Preisgeld heitrer Erdenstunden.

Oh, Hades,
Du schmuckerpichter Schattenfürst,
dem’s selbst an prächtigem Gewand ermangelt!

Wie lang, wie lang gedenkst Du noch,
dass mit der Seele heiligen Tränenflut
ich Dir die unbeschwerten Kindestage löhne,
mit salziger Perlenzier
die Halseskette mühesam Dir fädle,
dass sie mit prunkem Tränenschimmer
Dich lieblicher erstrahlen möge?

Zier’ mit dieser Ruhmeskette
doch Deiner Gattin marmorweißen Hals,
dass ehrend sie zum holden Dank
mit ihrem duft’gen Wiesenzauber
den welken Garten Deiner fernen Jugend
wieder grünen lässt
und sende mir indes
Zephyros milden Wonnehauch!

Lass Deine grauen Wolkenschleier fallen,
mich Helios’ gold’nes Antlitz schaun,
den frostigen Gedankenschauer,
der mir in bangem Busen wintert
in seinem Gnadenlichte schmelzen,
beströmend seiner lichten Segensgabe
die eisen Herzensquellen tauend brechen!

 
 
13 
 August 
 


 

Scheidend winkt des Liebeszaubers milder Flammenblick
verdüsternd letzten Loderschlag.

Das Lampenöl ist gänzlich aufgezehrt,
entsendet trägen Trauerflor
von irdisch verweilter Stätte
als dichtes Rauchgeschleier
mit schwerer Flügelschwinge.

Und mit ihr flieht das kühne Hoffen
entschwelgt, erkühlter Brust.

Der stumme Sterbensgruß
haucht eises Herzensregen
raut Glieder und den samt’gen Blick,
schallt jenen trauten Heimatruf,
der einst mit holder Himmelsmacht
im Taumel regen Busens
die Herzenssäulen wanken ließ.

Wo einst der Liebe Treueschwur
auf keucher Lippe glühte,
das Wangenbeet mit Rosenzier erblühte,
obsiegt nun äschern Schattenwurf,
drang Wollust sich ins Liebesreich
und Flammen der wilden Gelüste
entweihten dreist mit lohem Steppenbrand
der Wangen heil’ge Erde.

Gewiss, auch Dich, Eros,
Du mildbeflammter Seelenwächter,
entwaffnet rege Frevelhand des Mächtigen,
entreisst den sich’ren Schaft
der ölgetränkten Fackel Dir
und tauchet sie in Lethes Leidensstrom
mit kraller Bärenpranke nieder.

Oh, heilige Liebesbande,
deines festen Griffes Treugeleit
entglitt mir schon auf halbem Wege.

Denn gleich des Kometen verglühenden Glanzes,
als silberner Himmelsstreif flüchtiger Schöne
und Spielball der sphärischen Mächte,
so wandelt sich hier nun im Trauerland
der Liebenden tröstlicher Abendstern
grell niedergleisend zu Erdenstaub,
als Streu des launischen Windes.

 
 
13 
 August 
 


 

Trau’re doch nicht dem erblühten Gedanken des lichten Momentes
bittere Perlenflut nach, wenn die mächtige Hand
nachtenden Scheines nun jäh dein Gedankenreich deckt mit Vergessen,
jenen sonnigen Hain hüllet ins Schattengewand,
dem der zärtliche Lichtstreich der Freiheit einst Prachtwuchs bescherte.

Nun, der Lichtflut beraubt, rückt das Gefild der Ideen
tauchend ins Schattenreich ab. Es entschwelgt das selige Schauen.
Sei getrost und erfreu himmlischer Gabe Dich doch,
dass der Freiheit Sommerwind streichend den Forst mild durchglänzte,
deinen geheiligten Grund blumen Geistes Bezirk.

Geistesblüten, sie welken nicht. Morpheus, die nächtliche Gottheit,
bangt um den lieblichen Reiz. Treu im Liebesarm wiegt
sicher den Liebling er, deckt mit ambrosischem Schlafe die Blüte,
mattet das Farbengewand und, mit sachtem Geschick,
senkt er den Kelch des Geblüms zum Schoße der schwärzenden Erde,
senkt in den ruhenden Schoß sinnenden Herzensgrund ihn.

Heilige Erde, Du Heimstatt der scheuen Gedanken, beherberg’
frei die verwaiste Geburt geistigen Adels. Gewähr’
fürstlich ein Obdach dem nächtlichen Gaste in Deinem Schoße.

Gönn’ dem untadligen Schlaf kühlende Ruhstatt gelind!
Reich der liebkosenden Schatten, oh weile als wachender Hüter,
bis im dämmernden Tal purpur Aurora entflammt,
wo mit loderndem Brand sie Helios’ Auge beschüret.
Schimmernd woget die Glut übers Gefild der Ideen,
Nebel verziehen im Blumenhain, Schatten, sie weichen entmachtet.

Siehe, da neigt das Geblüm schmiegend dem Lichtstreich sich zu,
badet sich munter im warmen Lichtmeer erwachenden Tages.
Und Mnemosyne daselbst küsst es mit Morgentau wach.