Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

25 
 Mai 
 
2011

abgelegt in
Schach | über ...

 

Gedenkt nicht meiner Drangsal
im feind’schen Kampfgefild,
denn stets hat sich die Muse selbst
ihr Schild geschmiedet.

Spendet indes den dürftigen Armen,
salbt der verwaisten Seelen klaffende Wunden
und huldigt Helios ihn ehrend mit redlicher Tat.

Der feilen Brust lauen Verlagswesens
entbiete ich unabläßliches Verbot
gutenbergschen Wirkens.

Merkurs Götzendiener gierender Frevelhand
verwehr’ ich gänzlich meines Geistes’ Blüte.

Nimmer soll meiner Worte Lauterkeit
auf Camel’s gebirgischen Höhen
Mammon’s Opferaltäre besprengen.

Mehr in freier Manier
die kindbewahrten Herzenstafeln anzuhauchen
mit gold’nen Lettern
fein umrankt von Efeublättern
ist mein sinnend Trachten.

 
 
25 
 Mai 
 


 

Kampflos gewonnen
 
Köstliches Los, das mir bisher vergönnt ward, nun heute gefallen:
Mächtig mit stemmendem Arm eines Atlas stieß ich des Königs
Bauern von friedlicher Reihe vor zu der feindlichen Linie
zentrumsbeherrschend auf e4.
 
 

 
 
Gegenwehr blieb aus. Mein Gegner
säumte den kraftvollen Auftakt bevorsteh’nder Schlacht, überhörte
die zum Turniere geblasene Kriegesposaun’ und verweilte
anderen Ortes privater Lustbarkeit. Wer konnt’s ihm verwehren?
15 Minuten verstrichen. Ich reklamierte Gewinn und … obsiegte!

Weder Ponziani, der Kampfschacherprobte, noch Philidor, der Recke, hätten an diesem Tage besser gespielet.
Niemals zuvor empfand ich Sterblicher mich diesen Heroen
schachlichen Genius’ näher gerückt und fühlte mit ihnen
gleichen Puls schlagen, fühlte gleiches Herz pochen im Busen.

Schnell war der Bleistift gezückt, historisch brisanten Moment skiz-
zierend. Die staunende Schachwelt begehret ja ständig Rapport und
forschet auch stets nach aufgeh’nden Sternen am schachlichen Himmel.
So auch an diesem Tage, der Stunde Null des bis dahin
unscheinbaren aber nunmehr erwachten Talentes.

Ich verließ den Turniersaal, den Tummelplatz leidiger Spieler…
Was zu meinem Hotel mich dann trug, ich konnt’s nur erahnen:
Hermes, der Herold der Götter, entlieh’ den beflügelten Schuh’ mir.
Aller irdischen Banden gelöset ließ mich der Taumel
jüngsten Sieges entschweben, krönte mit Lichtesglanz mich und
meiner geistigen Grazie gewiss erblasste die Welt in
schlichten Farben. Am Ziel angekommen verlangte es mich ein
Bad zu nehmen, im hauseig’nen Schwimmbad, dem wohltemperierten.

Wie mein Schachfreund Benno dem sonst so gezähmten Springer
aller Eröffnungskunde zum Trotz die Sporen versetzet,
ich – vom Siege geritten – stürzte mich gleichfalls jeglich Gebotes
widrig in eben geglättetes Wasser, der mich empfangenden
Flut und … jähe Entdeckung, als auf dem Rücken ich schwamm: es
waren flammende Kerzen montiert an erhabener Decke,
die, durch gezogene Linien verbunden, Sternbild um Sternbild dem
wachsamen Aug’ offenbarte, wie zum Beispiel der „Drache“.

Ob mein Vereinsfreund Achim das Drachensystem heut’ gewählet?
Speit’ ihm aus Bauern erschaffener Höhle drohend der Läufer?
Wer braucht’s zu wissen? Ich trieb auf ruhiger Welle gemählich
siegreich dem „Großen Wagen“ entgegen, gewahrte die hellste
Kerze als hellstes Gestirn, den Polarstern. Wohl dem, der vom Ruhme
sicher getragen dahintreibt auf glorreichem Strome des Glückes.

 
 
25 
 Mai 
 

abgelegt in
Das Patt | Hexameter

 

Eine sich jäh tagende Pattrettung
 
 


 
Siehe, Bauer c6, wie das Glück Deiner Adelung hold Dir
winkt und lohnt die erduldete Schmach im Gefechte der Schlacht.
Walle, Vasall, und vollende den Lauf durch der Dame schützende Hand!

Schaudernd fristet indes auf h1 verwaist der schwarze Regent und
harret dem nahenden Matt, das ihn in Bälde ereilt.
Dame Schwarz, der Gefahr gegenwärtig, bietet dem König
flugs ein drohendes Schach, den Aufschub des Gatten Tod damit erhoffend.

 


 
Jene Majestät im weißen Gewande lächelt gelassen der
feindschen Gesinnung entgegen, wähnt sich vermeintlich im Schutz
durch des Bauern Geleit, der durch Aufmarsch ein weiteres Unheil abwendet.

 


 
Müßiger Kriegsherr des weißen Lagers,
hättest selbst den Fuß du gesetzt
auf friedliches Feld b4,
wo keine Gefahr länger Dir bräute.

 


 
Denn Schock, schwere Not,
es dränget die schwarze Königsgemahlin
dem weißen König und seiner Gattin erneut,
mit tollkühner Gabel opfert selbstlos
die schwarze Dame sich nun.

 


 
Oh, welch köstlich Märtyrium!
Die weiße Dame muss nehmen,
dem Gebote des Schaches zu wehren
und wird durch die schwarze Macht
auf g3 verheerend gelenkt,
wo sie die rettende Flucht des Schwarzen daselbst
vereitelt und somit Remis nun erwirkt.