Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

17 
 Mai 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Irgendwie scheint ein Kleinkind beim allabendlichen Vorlesen eines Märchens doch sehr wohl zu registrieren, dass die Handlung der Erzählung fiktiv ist und fern der wahren Wirklichkeit.

Erzählen Eltern daher ihren Kindern Lügengeschichten?
NEIN, es geht ja im Märchen auch nicht um Wahrheitsanspruch, es geht primär um Vermittlung von (Kultur-)Werten.

 
Irgendwie scheinen Atheisten beim Lesen der Bibel noch nicht verstanden zu haben, dass vieles an Niedergeschriebenem nicht eine 1:1-Wirklichkeitsabbildung darstellt, sondern in der literarischen Textgattung dem “Gleichnis” zuzuordnen ist.
Es geht nicht um historische Wahrheiten, sondern um die Vermittlung von (Kultur-)Werten.

Daher sind auch evtl. alttestamentliche Schandtaten (z.B. Völkermord, dargebrachte Tieropfer, Frauendiskriminierung etc.) nicht dem Alten Testamentes zuzuschreiben, sondern der jeweiligen Kultur, die diese „Perversitäten“ hervorgebracht hat.

Biblische Aufzeichnungen fungieren lediglich wie in eine Art „Reportage“, allerdings mit ihren literarischen Mitteln.

Und gerade wegen des hohen Analphabetismus (mit mündlicher Überlieferungstradition) in der damaligen Bevölkerung mussten zur besseren Einprägsamkeit die Geschichten (Volksweisheiten) spannend erzählt werden, was zur nachhaltigen Gedächtnisspeicherung wesentlich beigetragen hat.
Ein Hang zur Dramatisierung ist daher durchaus sinnvoll.

Wer also an Mythologien (christlich, römisch, griechisch, …) zweifelt, hat sich keinerlei Gedanken über die literarische Textgattung gemacht.

Wer den Wahrheitsgehalt beim ultimativen Bauprojekt der Arche Noah (zur Rettung aller Arten!) in den Meterangaben jenes “Schwimmkolosses” sucht, wer die Glaubwürdigkeit der 12 Taten des Herakles anzweifelt, schnorchelt an der Oberfläche und hat den eigentlichen Sinngehalt verfehlt.

Mythologische Texte sind daher im Wesenskern nicht grundlegend falsch, sondern die Rezeption (Lesart) derer ist eine falsche, inadäquate.

Siehe auch: Historisch-kritisches Methode.