Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

18 
 Juli 
 
2011

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1

 

Thomas der Zwilling

Jesus sprach:
„Werdet Vorübergehende!“

Hoher Himmel! Es rührt des Allmächtigen eherne Schwinge
Donner gebärend am wolkengeballten Gewölb. Ein
irrender Strahl durchzuckt den erbleichten Äther. Die Berge
-heiligen Donnerhorns nun übergossen- verharren in Ehrfurcht,
göttlicher Hoheit gewärtig. Es wogt der urmächt’ge Welthall
nun die schroffen Hänge hinab und wälzt sich dumpfwallend
in die Täler, drängt zu der Dörfer duckenden Hütten,
drängt zur versammelten Schar im häuslichen Kreis und verliert sich
schweigend im lauschen Ohr menschlichen Staunens. Oh, du …

… Wunderklang Gottes, aller Naturen durchwogende Stimme!
Tön’ als erhabener Lehrmeister deinen Erdengeschöpfen,
mahn’ der Vergänglichkeit sie! Denn gleichwie dein Donner dem
Himmel entfuhr, dem göttlichen Urquell entsprang, so verlor sich
dies Große doch im Kleinen, im Irdischen nied’rer Behausung.

Lehre uns gleichwohl des flüchtigen Wandels hienieden auf Erden,
nichts währet immerdar, ist gezeitigt, gestundet dem Schicksal!

→ zu Mnemosynes Geleit
Evangelium nach Thomas
 
 
1 
 Januar 
 
2001


 

Wähne Dich, Erdensohn, glücklich auf irdisch wandelndem Kreise.
Himmelan gipfeln die strebenden Bauten schaffender Hände,
thronest erhaben mit heroischem Lächeln und teilest mit waltendem Zepter,
du Schattengebild göttlicher Ideen.

Doch der Windstoß des eisernen Vogels streift mich nicht Wunder
Gewiß, ohn’ Fehl,
des eitlen Menschen kühner Geist
erdreist sich göttermessend meist
von unbändigem Schaffensdrang befleißt
lüstern mit dem Allmächtigen zu rangen.

Zähmt des Blitzes energischen Strahl,
beschifft der Welten wogende Meere
in pechversiegelter Holzesschale,
trotzt mit metallischem Gefieder
der Schwerkraft klammerndem Mieder,
durchmißt in des Weltalls unendlicher Leere,
der Planeten Gestirne kreisender Bahn –
deutend der großen Natur göttlichen Plan.

Mag sich dem Erdenbürger alles neigen,
selbst die Götterscharen treulos mir entfliehn,
auf ewig bleibt mir eine Gottheit eigen,
die nimmer des Menschen Karren werde ziehn …

… gleich Merkur’s steifgeword’ner Nacken,
der in des Halfter’s Banden würgendem Zwange
unter des Kaufmann’s schindendem Joche stöhnt,
den fliehenden Fuß umwunden vom Kettenstrange.

Soll Ares des Samson’s Eselsbacken
dem Kriegstyrannen dienlich weihn,
von Fortuna geadelt zum Siege gekrönt,
und den eitlen Erdentöchtern Venus
mit liebestollem Zauberkuß
rosige Wangen angedeihn.

Soll Neptun doch mit stetem Regenguß
wehren dem dürrewütenden Versiegen
munt’rer Wiesenquellen
und Helios’ Lächeln brüdernd sich gesellen
zu Ceres, die güld’nen Ähren streichend zu wiegen.

Nur Chronos,
die zählende Gottheit der rädernden Zeit
trotzt unbeugsam vom Anbeginn der Ewigkeit
dem fleischgewordenen Koloß.

Er wälzt der schwindenden Jahre Mühlenstein
mit Stieres Lenden und ehernem Gebein.

Beugt sich nun der hochberoßte Allmachtswahn
des Erdenstaub Erschaffenen,
wankt nun der götterbezwungende Eisenkahn
durch Gletscher’s Zahne raffenden
kenternden Geschickes,
die kühne Hoffnung sinken ließ
in ewige Nacht den Stahlkoloß
begraben hieß,
gebändigt durch Poseidon’s Troß
verschlingend in die Pranken schloß.

… Doch mein immerdar ruhender Vaterblick
neiget tränend sich und wacht
über der Völker herrschenden Nacht
mit allwaltendem Erdengeschick.