Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 April 
 
2012

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09 → Romantik | Novalis
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DICHTUNG Novalis
LESUNG Sophie Rois
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Lobt doch unsre stillen Feste,
Uns`re Gärten unsre Zimmer
Das bequeme Hausgeräte
Unser Hab und Gut.
Täglich kommen neue Gäste,
Diese früh, die andern späte
Auf den weiten Herden immer
Lodert neue Lebensglut.

Tausend zierliche Gefäße
Einst betaut mit tausend Tränen,
Gold`ne Ringe, Sporen, Schwerter
Sind in unser`m Schatz:
Viel Kleinodien und Juwelen
Wissen wir in dunkeln Höhlen,
Keiner kann den Reichtum zählen,
Zählt` er auch ohn` Unterlaß.

Kinder der Vergangenheiten,
Helden aus den grauen Zeiten,
Der Gestirne Riesengeister
Wunderlich gesellt,
Holde Frauen, ernste Meister,
Kinder, und verlebte Greise
Sitzen hier in e i n e m Kreise
Wohnen in der alten Welt.

Keiner wird sich je beschweren,
Keiner wünschen fortzugehen,
Wer an unser`n vollen Tischen
Einmal fröhlich saß.
Klagen sind nicht mehr zu hören,
Keine Wunden mehr zu sehen,
Keine Tränen abzuwischen;
Ewig läuft das Stundenglas.

Tiefgerührt von heil`ger Güte
Und versenkt in sel`ges Schauen
Steht der Himmel im Gemüte,
Wolkenloses Blau;
Lange fliegende Gewande
Tragen uns durch Frühlingsauen,
Und es weht in diesem Lande
Nie ein Lüftchen kalt und rauh.

Süßer Reiz der Mitternächte,
Stiller Kreis geheimer Mächte,
Wollust rätselhafter Spiele,
Wir nur kennen euch.
Wir nur sind am hohen Ziele,
Bald in Strom uns zu ergießen
Dann in Tropfen zu zerfließen
Und zu nippen auch zugleich.

Uns ward erst die Liebe Leben;
Innig wie die Elemente
Mischen wir des Daseins Fluten,
Brausend Herz mit Herz.
Lüstern scheiden sich die Fluten,
Denn der Kampf der Elemente
Ist der Liebe höchstes Leben
Und des Herzens eignes Herz.

Leiser Wünsche süßes Plaudern
Hören wir allein, und schauen
Immerdar in sel`ge Augen,
Schmecken nichts als Mund und Kuß,
Alles, was wir nur berühren,
Wird zu heißen Balsamfrüchten,
Wird zu weichen zarten Brüsten,
Opfer kühner Lust.

Immer wächst und blüht Verlangen
Am Geliebten festzuhangen,
Ihn im Innern zu empfangen,
Eins mit ihm zu sein,
Seinem Durste nicht zu wehren,
Sich in Wechsel zu verzehren,
Voneinander sich zu nähren,
Voneinander nur allein.

So, in Lieb und hoher Wollust
Sind wir immerdar versunken,
Seit der wilde trübe Funken
Jener Welt erlosch;
Seit der Hügel sich geschlossen;
Und der Scheiterhaufen sprühte
Und dem schauernden Gemüte
Nun das Erdgesicht zerfloß.

Zauber der Erinnerungen,
Heil`ger Wehmut süße Schauer
Haben innig uns durchklungen,
Kühlen unsre Glut.
Wunden gibt’s, die ewig schmerzen,
Eine göttlich tiefe Trauer
Wohnt in unser aller Herzen,
Löst uns auf in eine Flut.

Und in dieser Flut ergießen
Wir uns auf geheime Weise
In den Ozean des Lebens
Tief in Gott hinein;
Und aus seinem Herzen fließen
Wir zurück zu unserm Kreise
Und der Geist des höchsten Strebens
Taucht in unsre Wirbel ein.

Schüttelt eure goldnen Ketten
Mit Smaragden und Rubinen,
Und die blanken sauber`n Spangen,
Blitz und Klang zugleich.
Aus des feuchten Abgrunds Betten,
Aus den Gräbern und Ruinen,
Himmelsrosen auf den Wangen
Schwebt ins bunte Fabelreich.

Könnten doch die Menschen wissen,
Uns`re künftigen Genossen,
Daß bei allen ihren Freuden
Wir geschäftig sind:
Jauchzend würden sie verscheiden,
Gern das bleiche Dasein missen –
Oh! die Zeit ist bald verflossen,
Kommt, Geliebte, doch geschwind!

Helft uns nur den Erdgeist binden,
Lernt den Sinn des Todes fassen
Und das Wort des Lebens finden;
Einmal kehrt euch um.
Deine Macht muß bald verschwinden,
Dein erborgtes Licht verblassen,
Werden dich in kurzem binden,
Erdgeist, deine Zeit ist um.

 
 
28 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Rosen (1:42)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Rosen lieb ich, wenn sie blühn!
Morgen ist nicht heut!
Keine Stunde lass entfliehn –
Flüchtig ist die Zeit.
Trink und küsse! Sieh, es ist
Heut Gelegenheit!
Weißt du, wo du morgen bist?
Flüchtig ist die Zeit.
Aufschub einer guten Tat
Hat schon oft gereut!
Heute leben ist mein Rat –
Flüchtig ist die Zeit!

 

 
An die Schwalbe (3:12)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Liebe Kleine, kommst du wieder?
Zu dem Dichter, der dich liebt?
Und für deine süßen Lieder
Dir so gern ein Obdach gibt?

Kannst nur singen, kannst nicht sprechen.
Das ist schade, sonst fragt ich
Nach den Strömen, nach den Bächen,
Die du sahst, du Liebe, dich.

An dem einen oder andern
Wohnt ein lieber Freund von mir.
Du kannst fliegen, ich nur wandern,
Schau, sonst flög ich oft mir dir.

Lern doch sprechen, liebe Kleine!
Wenn dus kannst, dann nenn ich dir
Meine lieben Freunde am Rheine,
Und du grüßest sie von mir.

 

 
Gleim wird von allen bösen Zungen (4:21)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Gleim wird von allen bösen Zungen,
So schlimm verlästert und betrübt.«
»Schon recht! Warum hat er von Lieb und Wein gesungen
Und nicht getrunken, nicht geliebt?

 

 
Gesungen im Zelt (4:51)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Die Erde geht, wir gehen mit,
Unwissend, wo wir sind.
Wir gehn im Dunkeln Schritt vor Schritt,
Wir tappen alle blind!

Wir gehn so manchen schmalen Steg
Zu Lebens Lust und Leid.
Wir müssen sterben! Tod ist Weg
Von Zeit zu Ewigkeit!

Wir gehn in jeder Lebensfrist
An eines Grabes Rand!
Ich wüsste nicht, was schöner ist,
Als Tod fürs Vaterland!

 

 
An den Mond (6:23)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Dein stilles Silberlicht
Erquickt mir mein Gesicht.
O Mond, Gedankenfreund, ich sehe dich von weitem
Und winke dich zu mir
Und bin nicht weit von dir
Und denk an schönre Zeiten.

Wer einst, du lieber Mond,
In diesem Hüttchen wohnt,
Und sieht dein Silberlicht, dem mögen keine Falten
Auf seiner Stirne stehn,
Magst still vorübergehn,
Und ihn für glücklich halten.

Dass ichs nicht bin, sag ich
Nur dir und tröste mich –
O Mond, Gedankenfreund, lass stille Nächte kommen!
Dir nur vertrau ichs, dir:
Schon manche stille Nacht hat mir
Des lauten Tages Gram genommen.

 

 
Der Greis (7:58)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Hin ist alle meine Kraft!
Alt und schwach bin ich.
Wenig nur erquicket mich
Scherz und Rebensaft!

Hin ist alle meine Zier!
Meiner Wangen Rot
Ist hinweggeflohn! Der Tod
Klopft an meine Tür!

Unerschreckt mach ich ihm auf.
Himmel, habe Dank:
Ein harmonischer Gesang
War mein Lebenslauf!

 

 
Letztes Lied (9:03)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Meine Blumen sind verblüht!
Sing es, kleines Lied! –
Meine Blumen sind verblüht,
Aber andre, hoff ich, werden
Schöner blühn auf schönern Erden,
Wo die Kleinste nicht verblüht.
Sing es, kleines Lied.

 
 
12 
 Januar 
 
2012


 

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man die rennen und jagen,
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung!

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren.
Im Herzen kündet es laut sich an,
Zu was Besserm sind wir geboren!
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.

 

Textdichter Friedrich Schiller
Lesung Gedichtvortrag