Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 Dezember 
 
2011

abgelegt in
Gedankenschau | Religion

 



 
Ob nun Gott dem Adam den Geist einblies oder Athene des Prometheus’ Tonwerk die Weisheit einhauchte?
Letztlich führte beides zur Aufblähung des Großhirnes, was die Evolutionstheoretiker mit dem Schädelwachstum unserer Vorahnen eindrücklich bewiesen haben.

Unterschiedliche Sichtweisen (wissenschaftlich oder mythologisch ausgeschmückt) für ein und den selben Sachverhalt.

Das eine schließt das andere nicht aus, sondern ergänzt sich.
Ping-Pong auf hohem Niveau: Satz und Sieg für die Vernunft!

 
 
18 
 Dezember 
 
2011

abgelegt in
Gedankenschau

 

In Anspielung auf das Märchen von der wundersamen Speisung der fünftausend “Männer, ohne Frauen und Kinder”.
Märchen???

Von der literarischen Gattung ist die Speisung der 5000 zunächst kein Märchen, sondern ein Gleichnis.
Ein Gleichnis ist laut unserer allzeit beliebten Wikipedia “eine bildhafte rhetorische Figur zur Veranschaulichung eines Sachverhalts mittels eines Vergleichs […] und verfolgt den didaktischen Anspruch, einen komplexen oft theoretischen Sachverhalt in Form einer bildhaften und konkreten Darstellung abzubilden.”
Man wählte also die Sprache des einfachen Landvolks und verlor sich auch nicht in mehrfach verschachtelten Nebensätzen wie es vielfach (auch heute noch) Akademiker tun.

Insofern ist es auch egal, ob es 5000 (Menschen!) waren oder nur lediglich 5.
Es ist auch egal, ob es Tierkadaver (Fische) waren, die sich wundersam vermehrten.
Es hätten genauso gut Äpfel und Birnen sein können.
Oder auch nur Worte, nach denen das Volk damals “hungerte” und “gesättigt” wurde.

Man sollte, sofern Textanalyse mit literaturwissenschaftlichem Ernst betrieben wird, sich vorher über die Textart im klaren sein, um den Text sodann mit der adäquaten “Lesebrille” konzeptionell richtig einzuordnen.

Und genau in diesem Punkt polarisieren sich die Lager.

Auf der einen Seite stehen die fundamentalistischen Christen, die eine 1:1-Übertragung in den Alltag dem Text zumuten und den Textgehalt maßlos überstrapazieren, verfremden, deformieren und meist für ihre eigene Ideologie modifizieren geradezu instrumentalisieren, sich zugleich auf göttliche Legitimation berufen, als letztes Glied der Heilsgeschichte gebärden.

Auf der anderen Seite stehen die Atheisten, die im Grunde dasselbe tun: das geschriebene Wort der Bibel als bare Münze zu nehmen, um dann über den Realitätsverlust der Christenheit abzulästern.

Wenn allgemeiner Spott auf Christen fällt, so kann ich dies rational nachvollziehen.
Wenn aber der Hohn auf die christliche Mythensammlung fällt, so kann ich nur den Kopf schütteln.
Es ist völlig normal, wenn in einem Mythos Gegebenheiten erzählt werden, die über die übliche Alltagserfahrung hinaus gehen, denn dies ist ja wesentlich für die Textgattung “Mythos”.
Darauf sollte sich der Leser auch einlassen oder gleich den Text beiseite legen.
In einem Kinderbuch kommen schließlich auch entgegen der Alltagserfahrung sprechende Tiere vor und Millionen von Eltern lesen ihren Kindern daraus vor.
Kein Mensch zweifelt dann an diesem “Wunder”, weil dieses innerhalb der Textgattung Märchen wiederum “normal” und “legal” ist.
Das “Wunder” ist gattungstypisch und es wäre sogar äußerst befremdlich, wenn keine Tiere sprechen könnten.

Was will ich damit sagen?
Dass sowohl fundamentalistische Christen als auch lästernde, meist auch streitsüchtige Atheisten unter literaturwissenschaftlichem und somit rationalem Gesichtspunkt eine äußerst fragwürdige Menschengruppierung darstellen, da sie den Kern einer Textaussage in ihrem eigentlichen Wesen verkennen.

Insofern bin ich ein großer Bewunderer des (kirchlich unbearbeiteten) Thomas-Evangeliums, in dem Jesus nicht unbedingt als der leibhaftige Sohn Gottes dargestellt wird. Auch Wundertaten, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt sucht der traditionelle Christ darin umsonst!!!
Jesus tritt als Philosoph auf, in dem sogar der Atheist Friedrich Nitzsche sicherlich einen Lehrmeister gefunden hätte.
Denn die Parallelen von Nitzsches “Übermenschen” (aus: “Also sprach Zarathrustra”) und dem Jesus des Thomas-Evangeliums weisen für mich doch sehr viele Gemeinsamkeiten auf:
Die Kraft zur Veränderung liegt in jedem selbst und bedarf keiner (kirchlichen) Institution.

Nur zum Gelingen, zur Überwindung der egoistischen Natur, der allen Lebewesen innewohnt (biblisches Bild: “Teufel” als kunstvoll gewählte Metapher der Ich-Befriedigung), bedarf es eines höheren Willens/Einsicht/Aufklärung, der häufig entgegen gesellschaftlicher Konventionen läuft.

Nenne es Gott oder Evolution des menschlichen Geistes!
In diesem Sinne an unsere Kirchenväter: Gott (=Evolution) in seiner Vielfältigkeit auf zählbare Seiten zwischen zwei Buchdeckeln zu pressen (Bibel), erscheint mir manchmal schon als Gotteslästerung selbst.

 
 
17 
 Mai 
 
2008

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Gedankenschau

 

Irgendwie scheint ein Kleinkind beim allabendlichen Vorlesen eines Märchens doch sehr wohl zu registrieren, dass die Handlung der Erzählung fiktiv ist und fern der wahren Wirklichkeit.

Erzählen Eltern daher ihren Kindern Lügengeschichten?
NEIN, es geht ja im Märchen auch nicht um Wahrheitsanspruch, es geht primär um Vermittlung von (Kultur-)Werten.

 
Irgendwie scheinen Atheisten beim Lesen der Bibel noch nicht verstanden zu haben, dass vieles an Niedergeschriebenem nicht eine 1:1-Wirklichkeitsabbildung darstellt, sondern in der literarischen Textgattung dem “Gleichnis” zuzuordnen ist.
Es geht nicht um historische Wahrheiten, sondern um die Vermittlung von (Kultur-)Werten.

Daher sind auch evtl. alttestamentliche Schandtaten (z.B. Völkermord, dargebrachte Tieropfer, Frauendiskriminierung etc.) nicht dem Alten Testamentes zuzuschreiben, sondern der jeweiligen Kultur, die diese „Perversitäten“ hervorgebracht hat.

Biblische Aufzeichnungen fungieren lediglich wie in eine Art „Reportage“, allerdings mit ihren literarischen Mitteln.

Und gerade wegen des hohen Analphabetismus (mit mündlicher Überlieferungstradition) in der damaligen Bevölkerung mussten zur besseren Einprägsamkeit die Geschichten (Volksweisheiten) spannend erzählt werden, was zur nachhaltigen Gedächtnisspeicherung wesentlich beigetragen hat.
Ein Hang zur Dramatisierung ist daher durchaus sinnvoll.

Wer also an Mythologien (christlich, römisch, griechisch, …) zweifelt, hat sich keinerlei Gedanken über die literarische Textgattung gemacht.

Wer den Wahrheitsgehalt beim ultimativen Bauprojekt der Arche Noah (zur Rettung aller Arten!) in den Meterangaben jenes “Schwimmkolosses” sucht, wer die Glaubwürdigkeit der 12 Taten des Herakles anzweifelt, schnorchelt an der Oberfläche und hat den eigentlichen Sinngehalt verfehlt.

Mythologische Texte sind daher im Wesenskern nicht grundlegend falsch, sondern die Rezeption (Lesart) derer ist eine falsche, inadäquate.

Siehe auch: Historisch-kritisches Methode.