Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 April 
 
2012

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Mailied (0:52)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch

Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust!
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!

O Lieb, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!

 

 
Prometheus (2:55)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn.
Musst mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonne als Euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wusste, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Aug
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr, zu hören meine Klagen,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut!
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit Und das ewige Schicksal?
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich solle das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Knabenmorgen
Blütenträume reiften?

Hier sitze ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

 

 
Adler und Taube (5:31)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Ein Adlersjüngling hob die Flügel
Nach Raub aus.
Ihn traf des Jägers Pfeil und schnitt
Der rechten Schwinge Sennkraft ab.
Er stürzt hinab in einen Myrtenhain,
Fraß seinen Schmerz drei Tage lang,
Und zuckt an Qual
Drei lange, lange Nächte lang.
Zuletzt heilt ihn
Allgegenwärtger Balsam
Allheilender Natur.

Er schleicht aus dem Gebüsch hervor
Und reckt die Flügel – ach!
Die Schwingkraft weggeschnitten –
Hebt sich mühsam kaum
Am Boden weg
Unwürdgem Raubbedürfnis nach,
Und ruht tieftrauernd
Auf dem niedern Fels am Bach.
Er blickt zur Eich hinauf,
Hinauf zum Himmel,
Und eine Träne füllt sein hohes Aug.

Da kommt mutwillig durch die Myrtenäste
Dahergerauscht ein Taubenpaar,
Lässt sich herab und wandelt nickend
Über goldnen Sand am Bach,
Und ruckt einander an.
Ihr rötlich Auge buhlt umher,
Erblickt den Innigtrauernden.
Der Tauber schwingt neugiergesellig sich
Zum nahen Busch und blickt
Mit Selbstgefälligkeit ihn freundlich an.
Du trauerst, liebelt er.

Sei guten Mutes, Freund
Hast du zur ruhigen Glückseligkeit
Nicht alles hier?
Kannst du dich nicht des goldnen Zweiges freun,
Der vor des Tages Glut dich schützt?
Du wandelst durch der Blumen frischen Tau,
Pflückst aus dem Überfluss
Des Waldgebüsches dir
Gelegne Speise, letzest
Den leichten Durst am Silberquell –

O Freund, das wahre Glück
Ist die Genügsamkeit,
Und die Genügsamkeit
Hat überall genug.
O Weise! sprach der Adler, und tief ernst
Versinkt er tiefer in sich selbst,
O Weisheit! Du redst wie eine Taube!

 

 
Da hatt ich einen Kerl zu Gast (8:36)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir nicht eben zur Last.
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbarn führen,
Über mein Essen zu räsonieren:
»Die Supp hätt können gewürzter sein.
Der Braten brauner, besser der Wein.«
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! es ist ein Rezensent.

 
 
31 
 März 
 
2012

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An Ihro Gnaden (0:51)
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791)

Es kennen Ihro Gnaden
Redouten, Maskeraden,
Die Moden der Koketten
Und deren Toiletten.
Sie sprechen mit der Base
Französisch durch die Nase.
Auf Deutschland tun sie schimpfen
Vornehm mit Nasenrümpfen!
Der Bürger wird verachtet,
Weil er nach Gleichheit trachtet.
Uns straft ihr kühner Tadel.
Mein Gott! Sie sind von Adel!

 

 
Die Forelle (2:28)
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791)

In einem Bächlein helle,
Da schoss in froher Eil
Die launige Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh
Des muntern Fisches Bade
Im klaren Bächlein zu.

Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand
Und sahs mit kaltem Blute
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.

Doch plötzlich ward dem Diebe
Die Zeit zu lang. Er macht
Das Bächlein tückisch trübe.
Und eh ich es gedacht,
So zuckte seine Rute.
Das Fischlein zappelt dran.
Und ich mit regem Blute
Sah die Betrogne an.

Die ihr am goldnen Quelle
Der sichern Jugend weilt,
Denkt doch an die Forelle.
Seht ihr Gefahr, so eilt!
Meist fehlt ihr nur aus Mangel
An Klugheit. Mädchen, seht
Verführer mit der Angel!
Sonst blutet ihr zu spät.

 

 
Der gnädige Löwe (4:36)
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791)

Der Tiere schrecklichstem Despoten
Kam unter Knochenhügeln hingewürgter Toten
Ein Trieb zur Großmut plötzlich an.
Komm, sprach der gnädige Tyrann
Zu allen Tieren, die in Scharen
Vor seiner Majestät voll Angst versammelt waren,
Komm her, beglückter Untertan,
Nimm dieses Beispiel hier von meiner Gnade an!
Seht, diese Knochen schenk ich euch! –
Dir, rief der Tiere sklavisch Reich,
Ist kein Monarch an Gnade gleich! –
Und nur ein Fuchs, der nie den Ränken
Der Schüler Machiavells geglaubt,
Brummt in den Bart: Hm, was man uns geraubt
Und bis aufs Bein verzehrt, ist leichtlich zu verschenken!

 

 
Der Gefangene (7:21)
Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791)

Gefangner Mann, ein armer Mann!
Durchs schwarze Eisengitter
Starr ich den fernen Himmel an
Und wein und seufze bitter.

Mir ist der Mond so gelb, so bleich,
Er wallt im Witwenschleier.
Die Sterne sind mir Fackeln gleich
Bei einer Totenfeier.

Was hilft mir Tau und Sonnenschein
Im Blütenkelch der Rose?
Denn nichts ist mein, ach! nichts ist mein,
Im Muttererdenschoße.

Kann nimmer an der Gattin Brust,
Nicht an der Kinder Wangen,
Mit Gattenwonne, Vaterlust,
In Himmelstränen hangen.

Gefangner Mann, ein armer Mann!
Fern von den Lieben allen
Muss ich des Lebens Dornenbahn
In Schauernächten wallen.

Was hab ich, Fürsten, euch getan?
Kommt doch und seht mich Armen!
Gefangner Mann! Ein armer Mann!
Ach, habt mit mir Erbarmen!

 
 
28 
 März 
 
2012

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Rosen (1:42)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Rosen lieb ich, wenn sie blühn!
Morgen ist nicht heut!
Keine Stunde lass entfliehn –
Flüchtig ist die Zeit.
Trink und küsse! Sieh, es ist
Heut Gelegenheit!
Weißt du, wo du morgen bist?
Flüchtig ist die Zeit.
Aufschub einer guten Tat
Hat schon oft gereut!
Heute leben ist mein Rat –
Flüchtig ist die Zeit!

 

 
An die Schwalbe (3:12)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Liebe Kleine, kommst du wieder?
Zu dem Dichter, der dich liebt?
Und für deine süßen Lieder
Dir so gern ein Obdach gibt?

Kannst nur singen, kannst nicht sprechen.
Das ist schade, sonst fragt ich
Nach den Strömen, nach den Bächen,
Die du sahst, du Liebe, dich.

An dem einen oder andern
Wohnt ein lieber Freund von mir.
Du kannst fliegen, ich nur wandern,
Schau, sonst flög ich oft mir dir.

Lern doch sprechen, liebe Kleine!
Wenn dus kannst, dann nenn ich dir
Meine lieben Freunde am Rheine,
Und du grüßest sie von mir.

 

 
Gleim wird von allen bösen Zungen (4:21)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Gleim wird von allen bösen Zungen,
So schlimm verlästert und betrübt.«
»Schon recht! Warum hat er von Lieb und Wein gesungen
Und nicht getrunken, nicht geliebt?

 

 
Gesungen im Zelt (4:51)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Die Erde geht, wir gehen mit,
Unwissend, wo wir sind.
Wir gehn im Dunkeln Schritt vor Schritt,
Wir tappen alle blind!

Wir gehn so manchen schmalen Steg
Zu Lebens Lust und Leid.
Wir müssen sterben! Tod ist Weg
Von Zeit zu Ewigkeit!

Wir gehn in jeder Lebensfrist
An eines Grabes Rand!
Ich wüsste nicht, was schöner ist,
Als Tod fürs Vaterland!

 

 
An den Mond (6:23)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Dein stilles Silberlicht
Erquickt mir mein Gesicht.
O Mond, Gedankenfreund, ich sehe dich von weitem
Und winke dich zu mir
Und bin nicht weit von dir
Und denk an schönre Zeiten.

Wer einst, du lieber Mond,
In diesem Hüttchen wohnt,
Und sieht dein Silberlicht, dem mögen keine Falten
Auf seiner Stirne stehn,
Magst still vorübergehn,
Und ihn für glücklich halten.

Dass ichs nicht bin, sag ich
Nur dir und tröste mich –
O Mond, Gedankenfreund, lass stille Nächte kommen!
Dir nur vertrau ichs, dir:
Schon manche stille Nacht hat mir
Des lauten Tages Gram genommen.

 

 
Der Greis (7:58)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Hin ist alle meine Kraft!
Alt und schwach bin ich.
Wenig nur erquicket mich
Scherz und Rebensaft!

Hin ist alle meine Zier!
Meiner Wangen Rot
Ist hinweggeflohn! Der Tod
Klopft an meine Tür!

Unerschreckt mach ich ihm auf.
Himmel, habe Dank:
Ein harmonischer Gesang
War mein Lebenslauf!

 

 
Letztes Lied (9:03)
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803)

Meine Blumen sind verblüht!
Sing es, kleines Lied! –
Meine Blumen sind verblüht,
Aber andre, hoff ich, werden
Schöner blühn auf schönern Erden,
Wo die Kleinste nicht verblüht.
Sing es, kleines Lied.