Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 August 
 
2017


 

Apoll mit Kithara [1]Fresko, etwa 50 n. Chr., heute im Antiquarium auf dem Palatin in Rom

 
Musik
Wolfgang Amadeus Mozart [2]Klaviersonate Nr. 11 (Auszug)


[ Bemerkung zum Text ] [3] Ich distanziere mich explit zu Bezügen aus meinem privaten Umfeld, die rein zufällig wären und der Text darüberhinaus dem Jahre 1999(?) entstammt. Lediglich die Verortung im Gedichtezyklus “Mnemosynes Geleit” war angedacht.

Gedankenflaute

Apoll,
Du geistbeseelter Sphärensänger,
entleih’ den melodiösen Säuselwind,
der hauchend dir durch’s gold’ne Harfenspiel
ambrosisch streift,
dem flauten Geistesregen,
meiner Seele matter Flügelschlag.

Die irdischen Banden löse,
dass kraftbefiedert
meines Geistes Späh’n
sich dann mit kühnem Argosblick erhebt,
zum reichbestirnten Firmamente strebt,
um derorts edle Sternenworte zu erhaschen.

Nur dort prangt
des Paradieses verbliebene Schöne,
legt Venus
adelnd ihre Maßesschnur.

Nicht des äußer’n Liebreizes flüchtiger Fülle,
den holden Widerscheine,
krönet Venus,
sie schmähet dem nichtigen Prunk,
dem Trugbild falscher Wonnen!
Dem Liebschall sanftgewogener Rosenworte
entsendet einzig sie das köstliche Heil.

Oh, Apoll,
so nimm dahin
den jüngst umwehenden Jungfernschleier,
das schmucke Liebespfand,
es sei dir eigen,
hiess flatternd zum Lohne des Dichters Banner
in deinem milden Geisteswinde sel’gem Reigen.
→ zu Mnemosynes Geleit
Eherne Welt

Fußnoten[+]

 
 
18 
 Juni 
 
2017

Schlagwörter

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Die Entführung der Europa

Musik
E-Clip & Future Frequency – Little Universe [1]Iono Music

Gedankenwogen

Ein sonnenreicher Tag verglüht.

Der Lichtesgabe voll gemessen
nimmt Helios [2]Der Sonnengott letzten Sonnenpfeil
aus gold’nem Köcher
und sendet ihn dem Göttervater Zeus,
der an des Ufers kühlem Saum
in eines Stiers Erscheinung
emporsteigt aus des Meeres Wogen,
… der Liebe längst entflammt.

Denn unweit steht
der Insel jüngste Königstochter [3]Europa, Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa.

Mit dünenhaftem weichen Schritt
sucht sie nach Kostbarkeiten letzter Flut,
womit sie ihren Hals dann schmückt,
flicht Blumenzier ins lose Haar,
die milden Widerstreits der Wind zugleich entflicht
und lauscht des Wellenschlages Wonnespiel,
das fernher sanfte Weisen tönt [4]singt.

Und mehrend ihrer Schönheitsfülle Schatz,
weht lauen Lächelns Abendwind
mit leisem Sonnensang
besänftigend dem zahmgestimmten Stier
ins sinnverwehte Herz.

Das goldgehörnte Haupt
umwindet sie mit Blumenkränzen,
teilt ihrer Anmut Kleinod,
und schürt des Gottes Glutverlangen,
der schneefloh Schulter [5]weiße Sandband ihr nun zeigt.

Entfloh’ner Scheu’
besteigt die Wagende
des Stieres reizer Klippe,
ergreift des Hornes Schmuckkorall.

Und traut umspielt das Seegarn träufer Haare
der Brüste weicher Schwämme,
des Schweißes salz’ger Brise
des Stieres liebesmattes Haupt.

Der warmen Strömung Meeresbecken
treibt beide Well’ um Well‘
hinweg vom sicheren Gestade.

Und in des Herzens stiller Weite
entsinkt dem wogenschwanken Blick
das Festland auferlegter Bande.
→ zu Mnemosynes Geleit
Pygmalions Werkstatt

Fußnoten[+]

 
 
12 
 Oktober 
 
2015


 

 

Kaum sproßten aus den Wassern, o Erde, dir
Der jungen Berge Gipfel und dufteten
Lustatmend, immergrüner Haine
Voll, in des Ozeans grauer Wildnis

Die ersten holden Inseln; und freudig sah
Des Sonnengottes Auge die Neulinge,
Die Pflanzen, seiner ewgen Jugend
Lächelnde Kinder, aus dir geboren.

Da auf der Inseln schönster, wo immerhin
Den Hain in zarter Ruhe die Luft umfloß,
Lag unter Trauben einst, nach lauer
Nacht, in der dämmernden Morgenstunde

Geboren, Mutter Erde! dein schönstes Kind;-
Und auf zum Vater Helios sieht bekannt
Der Knab, und wacht und wählt, die süßen
Beere versuchend, die heilge Rebe

Zur Amme sich; und bald ist er groß; ihn scheun
Die Tiere, denn ein anderer ist, wie sie,
Der Mensch; nicht dir und nicht dem Vater
Gleicht er, denn kühn ist in ihm und einzig

Des Vaters hohe Seele mit deiner Lust,
O Erd! und deiner Trauer von je vereint;
Der Göttermutter, der Natur, der
Allesumfassenden möchte er gleichen!

Ach! darum treibt ihn, Erde! vom Herzen dir
Sein Übermut, und deine Geschenke sind
Umsonst und deine zarten Bande;
Sucht er ein Besseres doch, der Wilde!

Von seines Ufers duftender Wiese muß
Ins blütenlose Wasser hinaus der Mensch,
Und glänzt auch, wie die Sternenacht, von
Goldenen Früchten sein Hain, doch gräbt er

Sich Höhlen in den Bergen und späht im Schacht,
Von seines Vaters heiterem Lichte fern,
Dem Sonnengott auch ungetreu, der
Knechte nicht liebt und der Sorge spottet.

Denn freier atmen Vögel des Walds, wenn schon
Des Menschen Brust sich herrlicher hebt, und der
Die dunkle Zukunft sieht, er muß auch
Sehen den Tod, und allein ihn fürchten.

Und Waffen wider alle, die atmen, trägt
In ewigbangem Stolze der Mensch; im Zwist
Verzehrt er sich und seines Friedens
Blume, die zärtliche, blüht nicht lange.

Ist er von allen Lebensgenossen nicht
Der seligste? Doch tiefer und reißender
Ergreift das Schicksal, allausgleichend,
Auch die entzündbare Brust dem Starken.


 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Christian Brückner
Bereitstellung Lyrik & Musik