Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Januar 
 
2012


 

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab’ nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.

Er träumt von künft’ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.

 

Textdichter Joseph von Eichendorff
Lesung Fritz Stavenhagen
Bereitstellung wortlover

 
 
3 
 November 
 
2011


 

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

 

Sprecher Hermann Hesse

 
 
4 
 August 
 
2011

abgelegt in
Briefe | sonstige Prosa

 

Liebe Brüder im Geiste,

wie einstens Schiller dem Buchhändler Schwan aus Mannheim die Bögen seines Räuberdramas zu überreichen gedachte, so auch ich am gestrigen Tage.
Das Manuskript eines jüngst mir entstammten Stückes weist sicherlich noch passagenweise Mängel auf und ich täte gut daran, ihm einen wohlfeileren Ausdruck noch angedeihen zu lassen.
Ich werde diesem Bestreben in Bälde nachkommen.

So begab ich mich munt’ren Schrittes zum Orte der angedachten Begegnung mit Schwan, der Eingangshalle des Schiller-Nationalmuseums.
Doch wehe dem Erdgeborenen, Einlass begehrend, der sich nicht vom Schlamme Prometheus’ zu höherem Töpferwerke empor geadelt hat! Ihm wehren auch heute noch des Standes Schranken und eines Kerberos’ gleich gebärdet sich mancher Wachmann, die Pforte verrammelnd.
Schändlicher, dreimal schändlicher Weltgeist.

Galt diese hochheilige Stätte ernsten Gedenkens nicht der Idee eines allumspannenden Menschheitsbundes, dem edleren Freigeist, der sich über jegliches Standesdünkel mit Engelsschwingen hinweg zu heben vermag?
Segnet man so Schillers Andenken und zollt seiner Idee Bewunderung, indem man kärglich den Tatendrang erschlaffen lässt?

Wie dem auch sei…
Durch diesen misslichen Umstand wurde ich Schwan leider nicht gesichtig und übergebe Euch anbei mein Manuskript mit der Bitte um Weiterreichung an ihn.

Mit freundlichem Federschwunge

 

P.S.

Desweiteren erhoffe ich, den mir in jüngsten Kindertagen liebgewonnenen Kastanienbaum auf der namentlich benannten Schillerhöhe einzuzäunen, um ihn vor urinierenden Hunden zu bewahren, jenen Baum, unter dessen Blätterdach Schiller -göttlicher Gnaden zuteil- der Musen Geschenk empfing.
Denn dieser heil’ge Bezirk erscheint mir noch ehrwürdiger als das ihm eigens errichtete Pantheon (“Nationalmuseum”), ein marodes Menschengebäu.