Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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An den Mond (0:20)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz.
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz.

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh und trüber Zeit.
Wandelt zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe lieber Fluss!
Nimmer werd ich froh.
So verrauschte Scherz und Kuss
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst!

Rausche Fluss das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu,

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was von Menschen nicht gewusst,
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

 

 
Warum gabst du uns die tiefen Blicke (2:55)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

[…]
Kanntest jeden Zug in meinem Wesen.
Spähtest, wie die reinste Nerve klingt.
Konntest mich mit einem Blicke lesen,
Den so schwer ein sterblich Aug durchdringt.

Tropftest Mäßigung dem heißen Blute,
Richtetest den wilden, irren Lauf,
Und in deinen Engelsarmen ruhte
Die zerstörte Brust sich wieder auf.
[…]

 

 
Wanderers Nachtlied (7:21)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Der du von dem Himmel bist.
Alle Freud und Schmerzen stillest.
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest.
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all die Qual und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!

 

 
Gespräch mit dem Historiker Heinrich Luden am 13.12.1813  (8:00)

Ich habe oft einen bitteren Schmerz empfunden das bei dem Gedanken an das deutsche Volk, das so achtbar im Einzelnen und so miserabel im Ganzen ist. Eine Vergleichung des deutschen Volkes mit anderen Völkern erregt mir peinliche Gefühle, über die ich auf jegliche Weise hinwegzukommen suche. Und in der Wissenschaft und in der Kunst habe ich die Schwingen gefunden, durch die man sich darüber hinwegzuhelfen vermag. Denn Wissenschaft und Kunst gehören der Welt an und vor ihnen verschwinden die Schranken der Nationalität. Aber der Trost, den sie gewähren, ist doch nur ein leidiger Trost und ersetzt nicht das stolze Bewusstsein einem großen und geachteten Volke anzugehören.

 
 
2 
 April 
 
2012

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Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Nicht geheuer muss es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewühle
Bei der Brücke, nach dem Feld!
Horch! das Feuerglöcklein gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle!

Schaut! da sprengt er wuetend schier
Durch das Tor, der Feuerreiter,
Auf dem rippendürren Tier,
Als auf einer Feuerleiter!
Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle
Rennt er schon, und ist am Ort!
Drüben schallt es fort und fort:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle!

Der so oft den roten Hahn
Meilenweit von fern gerochen,
Mit des heilgen Kreuzes Span
Freventlich die Glut besprochen –
Weh! dir grinst vom Dachgestühle
Dort der Feind im Höllenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Ras’t er in der Mühle!

Keine Stunde hielt es an,
Bis die Mühle borst in Trümmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewühle
Kehren heim von all dem Graus;
Auch das Glöcklein klinget aus.
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennts! –

Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mützen
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern Mähre sitzen:
Feuerreiter, wie so kühle
Reitest du in deinem Grab!
Husch! da fällts in Asche ab.
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der Mühle!

 
 
31 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Der Mensch (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar,
Kommt er und sieht und höret
Und nimmt des Trugs nicht wahr.
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar.
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr,
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr.
Erbauet und zerstöret
Und quält sich immerdar.
Schläft, wachet, wächst und zehret,
Trägt braun und graues Haar.
Und alles dieses währet,
Wenns hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kommt nimmer wieder.

 

 
Epigramm von Lessing über Klopstock (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir möchten weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein.

 

 
Abendlied (4:24)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Der Mond ist aufgegangen.
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold.
Wie eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolzen Menschenkinder
Sind doch nur arme Sünder
Und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
Und treiben viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder.
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen,
Und lass uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch!

 

 
Täglich zu singen (6:11)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich danke Gott und freue mich
Wies Kind am Weihnachttage,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
Schön menschlich Antlitz habe.

Dass ich die Sonne, Berg und Meer
Und Laub und Gras kann sehen,
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen.

Und dass mir dann zumute ist,
Wie wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heilge Christ
Bescheret hatte, Amen!

Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Dass ich kein König worden.
Ich wär geschmeichelt worden viel
und wär vielleicht verdorben.

Auch bet ich ihn von Herzen an,
Dass ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer, reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.

Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren.
Und vielen hats das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen.
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
Kann’s aber doch nicht machen.

Und die sind doch bei Ja und Nein
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
Des vielen Geldes wegen.

Gott gebe mir nur jeden Tag,
So viel ich brauch zum Leben.
Er gibts dem Sperling auf dem Dach.
Wie sollt ers mir nicht geben!

 

 
Die Sternseherin Lise (8:10)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan,
Und niemand mehr im Hause wacht
Die Stern am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch, und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur!

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön.
Ich seh die große Herrlichkeit,
Und kann mich satt nicht sehn.

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
Es gibt was bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.

Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach.
Und suche es in meinem Sinn.
Und sehne mich danach.