Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

21 
 Oktober 
 
2018


 

DICHTUNG Rainer Maria Rilke
LESUNG Nina Petri
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK



Sie haben alle müde Münde
und helle Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
geht ihnen manchmal durch den Traum.

Fast gleichen sie einander alle;
in Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.

Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
im dunklen Buch des Anbeginns.

 
 
8 
 Juni 
 
2011


 

Hier, von diesen Naturprodukten umgeben,
sitze ich oft stundenlang und meine Sinne schwelgen
in dem Anblick der empfangenden und gebärenden Kinder der Natur.
Hier verhüllt mir die majestätische Sonne
kein von Menschenhänden gemachtes Dreckdach,
der blaue Himmel ist mein sublimes Dach.

Wenn ich am Abend den Himmel staunend betrachte
und das Heer der ewig in seinen Grenzen
sich schwingenden Lichtkörper, Sonnen oder Erden genannt,
dann schwingt sich mein Geist
über diese soviel Millionen Meilen entfernten Gestirne
hin zur Urquelle, aus welcher alles Erschaffene strömt
und aus welcher ewig neue Schöpfungen entströmen werden.

Wenn ich dann und wann versuche,
meinen aufgeregten Gefühlen in Tönen eine Form zu geben –
ach, dann finde ich mich schrecklich getäuscht:
Ich werfe mein besudeltes Blatt auf die Erde
und fühle mich fest überzeugt,
daß kein Erdgeborener je die himmlischen Bilder,
die seiner aufgeregten Phantasie in glücklicher Stunde vorschwebten,
durch Töne, Worte, Farbe oder Meißel darzustellen imstande sein wird.