Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

7 
 April 
 
2012

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Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Roß,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann…

– „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!”
– „Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert’s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!”
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild…
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebend’gen Brand. Er brütet, gafft…
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal…
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt…
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
– „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind’s… Auf einer Hugenottenjagd…
Ein fein, halsstarrig Weib… “Wo steckt der Junker? Sprich!”
Sie schweigt. “Bekenn!” Sie schweigt. “Gib ihn heraus!” Sie schweigt
Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf…
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut.. “Gib ihn heraus!”.. Sie schweigt…
Sie windet sich… Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.”
Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast…”

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerißnen Augen an-
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!” Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr…
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht… Dröhnt hier ein Tritt?… Schleicht dort ein Schritt?…
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.

Er träumt. „Gesteh!” Sie schweigt. „Gib ihn heraus!” Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt…
– „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!”
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt.
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel’ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt’gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft’gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!” Der andre spricht:
„Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer.. Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst!… Mein ist die Rache, redet Gott.”
 

Dichtung Conrad Ferdinand Meyer
Lesung Gert Westphal
Bereitstellung wortlover

 
 
2 
 April 
 
2012

abgelegt in
09 → Romantik | Novalis
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DICHTUNG Novalis
LESUNG Sophie Rois
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Lobt doch unsre stillen Feste,
Uns`re Gärten unsre Zimmer
Das bequeme Hausgeräte
Unser Hab und Gut.
Täglich kommen neue Gäste,
Diese früh, die andern späte
Auf den weiten Herden immer
Lodert neue Lebensglut.

Tausend zierliche Gefäße
Einst betaut mit tausend Tränen,
Gold`ne Ringe, Sporen, Schwerter
Sind in unser`m Schatz:
Viel Kleinodien und Juwelen
Wissen wir in dunkeln Höhlen,
Keiner kann den Reichtum zählen,
Zählt` er auch ohn` Unterlaß.

Kinder der Vergangenheiten,
Helden aus den grauen Zeiten,
Der Gestirne Riesengeister
Wunderlich gesellt,
Holde Frauen, ernste Meister,
Kinder, und verlebte Greise
Sitzen hier in e i n e m Kreise
Wohnen in der alten Welt.

Keiner wird sich je beschweren,
Keiner wünschen fortzugehen,
Wer an unser`n vollen Tischen
Einmal fröhlich saß.
Klagen sind nicht mehr zu hören,
Keine Wunden mehr zu sehen,
Keine Tränen abzuwischen;
Ewig läuft das Stundenglas.

Tiefgerührt von heil`ger Güte
Und versenkt in sel`ges Schauen
Steht der Himmel im Gemüte,
Wolkenloses Blau;
Lange fliegende Gewande
Tragen uns durch Frühlingsauen,
Und es weht in diesem Lande
Nie ein Lüftchen kalt und rauh.

Süßer Reiz der Mitternächte,
Stiller Kreis geheimer Mächte,
Wollust rätselhafter Spiele,
Wir nur kennen euch.
Wir nur sind am hohen Ziele,
Bald in Strom uns zu ergießen
Dann in Tropfen zu zerfließen
Und zu nippen auch zugleich.

Uns ward erst die Liebe Leben;
Innig wie die Elemente
Mischen wir des Daseins Fluten,
Brausend Herz mit Herz.
Lüstern scheiden sich die Fluten,
Denn der Kampf der Elemente
Ist der Liebe höchstes Leben
Und des Herzens eignes Herz.

Leiser Wünsche süßes Plaudern
Hören wir allein, und schauen
Immerdar in sel`ge Augen,
Schmecken nichts als Mund und Kuß,
Alles, was wir nur berühren,
Wird zu heißen Balsamfrüchten,
Wird zu weichen zarten Brüsten,
Opfer kühner Lust.

Immer wächst und blüht Verlangen
Am Geliebten festzuhangen,
Ihn im Innern zu empfangen,
Eins mit ihm zu sein,
Seinem Durste nicht zu wehren,
Sich in Wechsel zu verzehren,
Voneinander sich zu nähren,
Voneinander nur allein.

So, in Lieb und hoher Wollust
Sind wir immerdar versunken,
Seit der wilde trübe Funken
Jener Welt erlosch;
Seit der Hügel sich geschlossen;
Und der Scheiterhaufen sprühte
Und dem schauernden Gemüte
Nun das Erdgesicht zerfloß.

Zauber der Erinnerungen,
Heil`ger Wehmut süße Schauer
Haben innig uns durchklungen,
Kühlen unsre Glut.
Wunden gibt’s, die ewig schmerzen,
Eine göttlich tiefe Trauer
Wohnt in unser aller Herzen,
Löst uns auf in eine Flut.

Und in dieser Flut ergießen
Wir uns auf geheime Weise
In den Ozean des Lebens
Tief in Gott hinein;
Und aus seinem Herzen fließen
Wir zurück zu unserm Kreise
Und der Geist des höchsten Strebens
Taucht in unsre Wirbel ein.

Schüttelt eure goldnen Ketten
Mit Smaragden und Rubinen,
Und die blanken sauber`n Spangen,
Blitz und Klang zugleich.
Aus des feuchten Abgrunds Betten,
Aus den Gräbern und Ruinen,
Himmelsrosen auf den Wangen
Schwebt ins bunte Fabelreich.

Könnten doch die Menschen wissen,
Uns`re künftigen Genossen,
Daß bei allen ihren Freuden
Wir geschäftig sind:
Jauchzend würden sie verscheiden,
Gern das bleiche Dasein missen –
Oh! die Zeit ist bald verflossen,
Kommt, Geliebte, doch geschwind!

Helft uns nur den Erdgeist binden,
Lernt den Sinn des Todes fassen
Und das Wort des Lebens finden;
Einmal kehrt euch um.
Deine Macht muß bald verschwinden,
Dein erborgtes Licht verblassen,
Werden dich in kurzem binden,
Erdgeist, deine Zeit ist um.

 
 
10 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein


 
Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!


 


 
Rezitierte Gedichte

 
An meinen Vater (1:59)
Johann Christian Günther (1625 – 1723)

Sag wie lange soll ich noch, dich,
Mein Vater, selbst zu sprechen,
Mit vergeblichem Bemühen
Hoffnung, Glück und Kräfte schwächen?

Macht mein Schmerz dein Blut nicht rege,
O so rühre dich dies Blatt,
Das nunmehr die letzte Stärke
Kindlicher Empfindung hat.

Fünfmal hab ich schon versucht,
Nur dein Antlitz zu gewinnen,
Fünfmal hast du mich verschmäht,
O was sind denn dies für Sinnen!

Hab ich dich nicht überall
Treu gerühmt und froh gepriesen?
Hat sich ein verstockter Sinn
Gegen deine Zucht gewiesen?

Hab ich nicht mit Lust studieret,
Um dich Vater zu erfreun,
Und mit wohlgeratnen Früchten
Deines Kummers Trost zu sein?

Lass doch nun nicht durch die Neider
Dich in mir so arg verlachen,
Lass dir doch nicht deine Mühe
Durch ihr Maul zuschanden machen!

Trau doch deinem Fleisch und Blute,
Gönne mir Geduld und Ohr.
Wäre ich mit Recht verklaget,
Warum lässt du mich nicht vor?

Was ich dann und wann getan,
Ist die Hitze junger Jahre.
Denn wo wird wohl einer alt,
Der nicht Gleiches auch erfahre?

O warum bestraft man denn
Meine Menschlichkeit so scharf?
Welcher Richter ist so grausam,
Dass man gar nicht bitten darf?

Und was sind es denn nun auch
Für so grob und schwere Sünden,
Die so mühsam und so spät
Ablass und Errettung finden?

Sag, was sind Sie? Meistens Lügen,
Junge Torheit, viel Verdacht
Und mit einem Worte Mücken,
Die man zu Kamelen macht.

Scheint dir auch die Art und Weise
Meines Lebens wunderlich,
Ach, dem ist bald abgeholfen.
Und womit? Versöhne dich!

Strafe nehm ich willig an,
Nur bestrafe mich bescheiden
Ohne Aufsehn und gerecht.
Denn dies Volk kann ich nicht leiden,

Das uns fast auf all und jedes
Eine Sittenpredigt hält
Und alsdann am ärgsten denket,
Wenn es sich am frömmsten stellt.

Jene sind es, die da gleich
Donner, Blitz und Höll erwecken,
Die da ein verirrtes Schaf
Mit der gröbsten Keule schrecken,

Jene sind es, die sich selbst
Für gerecht und heilig halten,
Mit Verachtung auf uns sehn,
Die befleckten Hände falten.

Kommt es zu der Nächstenliebe,
Zum Vergessen, zum Verzeihn,
Ja, dann wird von solchen Christen
Niemand wohl zu Hause sein.

Strafe sollte uns doch nie
Nur als Zornlust oder Hass erscheinen
Und die Rute, die da schlägt,
Muss der Kinder Bestes meinen.

Wo hingegen Straf und Schärfe
Das Vergehen übersteigt,
Wird das edelste Gemüt
Mehr gebrochen als gebeugt.

Wilder Frevel ist es wert,
Dass ihn Draht und Geißel schwäche,
Und die Bosheit braucht Gewalt,
Dass man ihr den Starrkopf breche.

Aber Irrtum, Fall und Schwachheit,
Fällt ein Mensch auch noch so oft,
Fordert billig nichts als Liebe,
Die allzeit das Beste hofft.

Such ich mich auch noch so wohl
Unter Leuten aufzuführen,
Muss ich dennoch überall
Freund und Ansehen bald verlieren,

Wenn man hört, dass selbst der Vater,
Den ein guter Leumund schmückt,
Mich, sein Kind, nicht hören will.
Das ists, Vater, was mich drückt.

Dadurch fällt mein zeitlich Wohl
Und das Heil des ganzen Lebens.
Alles was ich denk und tu,
Wird durch deinen Zorn vergebens.

Sage mir, wer soll mir denn
Auf der Welt noch weiter traun?
Bin ich meiner Eltern Gräuel,
Muss auch Fremden vor mir graun.

Vater, blicke doch zurücke
Und erinnre dich der Zeit,
Da ich als ein Kind voll Hoffnung
Dein und vieler Aug erfreut.

Mein Gehorsam, wie du weißt,
Hat dir zwanzig Jahr gefallen;
Was ich dann und wann verbrach,
Das geschieht doch beinah allen.

Ach, ihr Väter, du im Himmel
Und auch du auf dieser Welt,
Seid mir gnädig, dass mein Leben
Noch ein wenig Kraft behält!

Jetzo bet ich Tag und Nacht
Bei so überhäufter Plage:
Nimm mich doch, mein Gott,
Nicht weg in der Hälfte meiner Tage!

Führe mich durchs Kreuz zur Weisheit,
Gib mir aber auch dabei,
Dass ich klug, getreu, geduldig
Und der Welt noch nützlich sei.

Vater, denkt denn deine Liebe
Gar an keine Wiederkehr?
Ach, ich bitte deinetwegen,
Mach uns nicht das Sterben schwer!

Lass den demutsvollen Kuss
Die Versöhnung wiederbringen;
Denn danach, ich weiß gewiss,
Wird mir alles wohl gelingen.

Ich verspreche dir die Freude,
Die der Eltern Kreuz versüßt,
Wenn das Wachstum guter Kinder
Ihres Nachruhms Spiegel ist.

Es war niemals meine Art,
Große Dinge zu begehren
Noch des lieben Gottes Ohr
Mit viel Wünschen zu beschweren.

Denn er weiß, was ich in meiner
Not, von dir, mein Vater, will:
Gibt er mir dein Herz bald wieder,
Schweig ich gern zu allem still.