Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

20 
 Oktober 
 
2012


 

DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Lutz Görner


 

Eine wahre Geschichte, nach ältern
Dokumenten wieder erzählt und
aufs neue in schöne deutsche Reime gebracht


Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
Er hat sich in eine Fliege verliebt.

Du bist, o Fliege meiner Seele,
Die Gattin, die ich auserwähle.

Heirate mich und sei mir hold!
Ich hab einen Bauch von eitel Gold.

Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

O daß ich eine Närrin wär!
Ein’n Käfer nehm ich nimmermehr.

Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.

Nach idealen schwärmt mein Sinn,
Weil ich eine stolze Fliege bin. –

Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
Die Fliege ging ein Bad zu nehmen.

Wo ist denn meine Magd, die Biene,
Daß sie beim Waschen mich bediene;

Daß sie mir streichle die feine Haut,
Denn ich bin eines Käfers Braut.

Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
Viel schöneren Käfer gab es nie.

Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
Vor Neid wird bersten bar manche Schmeißfliege.

Spute dich, Bienchen, und frisier mich,
Und schnüre die Taille und parfümier mich;

Reib mich mit Rosenessenzen, und gieße
Lavendelöl auf meine Füße,

Damit ich gar nicht stinken tu,
Wenn ich in des Bräut’gams Armen ruh.

Schon flirten heran die blauen Libellen,
Und huldigen mir als Ehrenmamsellen.

Sie winden mir in den Jungfernkranz
Die weiße Blüte der Pomeranz.

Viel Musikanten sind eingeladen,
Auch Sängerinnen, vornehme Zikaden.

Rohrdommel und Horniß, Bremse und Hummel,
Die sollen trompeten und schlagen die Trummel;

Sie sollen aufspielen zum Hochzeitfest –
Schon kommen die bunt beflügelten Gäst,

Schon kommt die Familie, geputzt und munter ,
Gemeine Insekten sind viele darunter.

Heuschrecken und Wespen, Muhmen und Basen,
Sie kommen heran – Die Trompeten blasen.

Der Pastor Maulwurf im schwarzen Ornat,
Da kommt er gleichfalls – es ist schon spat.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
Wo bleibt mein liebster Bräutigam? – –

Bim-bam, bim-bam, klingt Glockengeläute,
Der Bräutgam aber flog fort ins Weite.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
Wo bleibt mein liebster Bräutigam?

Der Bräutigam hat unterdessen
Auf einem fernen Misthaufen gesessen.

Dort blieb er sitzen sieben Jahr,
Bis daß die Braut verfaulet war.

 
 
1 
 November 
 
2011


 

Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend
dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit
auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und
darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and’re, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegensenden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

Dichter Hermann Hesse   |   Sprecher Gottfried John

 
 
30 
 Oktober 
 
1998

abgelegt in
Reimgedichte

 

Mein schneekristall’nes Flöckchen,
was zweifelst scheu du noch
an deiner Rede duftender Blüte,
die deiner zagend’ Feder bang entfloss?

Gleich einem schillernden Roß
gallopiert majestästisch sie einher,
all dem Derben trotzend zur Wehr.

Drum zieh’ ich vor diesem erlesenen Adelsgestüte,
abertausend bunte Federhüte.

Sei doch gewiss,
daß meine sanfterschütterten Herzensglöckchen
alleine dir zum Ruhm erklingen,
wenn dein Perlenwort auf leichten Liebesschwingen
im kühnen Segelfluge, sturmerprobt,
nicht an meiner Seele Wächter berstend zerstobt
indes in meines Herzen’s Thronsaal vermag zu dringen.

Du, mein Täubchen,
mit Redekünsten schmuckbehangen,
nach allen Edelsteinen möcht’ ich haschen,
die in deiner Herzenstruhe prangen…

Wie lang willst noch Du zaudern,
wie lange noch gedenkest du zu schaudern?
Bis dein zartbesaitetes Herzchen
an deiner Zweifel Härte gar zerbricht?

Verstehst du nicht,
Du mein flutendes Kerzenlicht,
DU hast mich erreicht,
stets hat Dein lodernder Flammenblick
im Siegeszuge, kampfgewaltig,
mein wächsernes Herzlein schmelzend erweicht.

Meine unverwelkte Herzensblume
sei allein dir gereicht!