Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

7 
 Januar 
 
2018


 

DICHTUNG Rudolf Hagelstange
LESUNG Jürgen Hentsch



Denn was geschieht, ist maßlos. Und Entsetzen
wölkt wie Gewitter über jedem Nacken.
Es jagt der Tod mit flammenden Schabracken
durch Tag und Nacht, und seine Hufe fetzen,

was Werk und Leben heißt, zu tausend Stücken.
Sein Geißelhieb weiß jeden Leib zu finden.
Sein Atem läßt die Sehenden erblinden,
und Baum und Strauch verfällt vor seinen Blicken.

Bis in die Träume flackert sein Gelächter,
und in die Zukunft reiht er die Gebeine,
ein Mordbesessener und an Blut Bezechter.

Wer baut, wenn noch bei letzten Brandes Scheine
ein Gott dem Würger in die Zügel fällt,
aus diesem Chaos eine neue Welt?

 
 
25 
 Dezember 
 
2017

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DICHTUNG Conrad Ferdinand Meyer
LESUNG Stephan Sulke
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Inhaltsangabe
In einer Gewitternacht sucht ein Reiter Unterschlupf auf einem Adelssitz. Er fordert Herberge mit dem Hinweis, Knecht des Königs zu sein. Der Schloßherr gewährt ihm diese, darauf hinweisend, daß seine Gastfreundschaft ohnehin ausgereicht hätte. Während der Reiter sich am Feuer wärmt, erkennt er, daß er schon früher an diesem Ort gewesen ist, während einer Hugenottenjagd, die drei Jahre zurückliegt. Dabei hat er die Hausherrin zu Tode gefoltert, weil sie ihren Ehemann, einen Hugenotten, nicht hatte verraten wollen. Auch die Kinder des Hauses, die das Essen auftragen, erkennen den Gast wieder. Mit Unbehagen nimmt der Reiter das Abendmahl zu sich und sieht abgehend, wie eines der Kinder mit dem Vater flüstert. Nach einer angsterfüllten Nacht voller Alpträume steht der Schloßherr, über Nacht ergraut, vor seinem Lager und fordert zur Abreise. In einer morgendlichen Idylle reitend, begleitet vom Schloßherren, erwähnt der Kurier noch einmal seine Zugehörigkeit zum König. Dieses aufgreifend, erwidert der Schloßherr, daß er sich über Nacht schwer getan habe, dem Dienste, des “größten Königs” Genüge zu tun, daß er aber schließlich seine Rache zu Gunsten der göttlichen Gerechtigkeit aufgegeben habe.

Quelle: Lyrik & Musik

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann …

— “Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!”
— “Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert’s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!”
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild …
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft …
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
— “Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind’s … Auf einer Hugenottenjagd
Ein fein, halsstarrig Weib … ‘Wo steckt der Junker? Sprich!’
Sie schweigt. ‘Bekenn!’ Sie schweigt. ‘Gib ihn heraus!’ Sie schweigt.
Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf …
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut … ‘Gib ihn heraus!’ … Sie schweigt …
Sie windet sich … Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.”
Eintritt der Edelmann. “Du träumst! Zu Tische, Gast …”

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an —
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: “Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!” Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr …
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht … Dröhnt hier ein Tritt? … Schleicht dort ein Schritt? …
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
Er träumt. “Gesteh!” Sie schweigt. “Gib ihn heraus!” Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt …
— “Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!”
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr — ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel’ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt’gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft’gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: “Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!” Der andre spricht:
“Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! … Mein ist die Rache, redet Gott.”

 
 
12 
 November 
 
2016

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Aurel, Mark | Die Stoa | Philosophie
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Aus den “Selbstbetrachtungen
des Römischen Kaisers
Mark Aurel

  • Tue nicht, als wenn du tausende von Jahren zu leben hättest, der Tod schwebt über deinem Haupte!
    Solange du noch lebst, solange du noch kannst, sei ein rechtschaffender Mensch!
  • Die Menschen sind füreinander da. Also belehre oder dulde sie!
  • Lebe weit entfernt vom gewöhnlichen Luxus der Großen!
  • Alle Körper nehmen durch das Weltall wie auf einem Strom ihren Lauf und sind wie die Glieder unseres Leibes untereinander so mit jenem Ganzen verbunden und zusammenwirkend.
  • Viele große Denker hat schon der Zeitenlauf verschlungen.
    Dieser Gedanke sei dir beim Anblick jedes Menschen und jedes Gegenstandes gegenwärtig.
    Welch kleines Teilchen der unendlichen und unermesslichen Zeit ist jedem zugemessen und wie plötzlich wird es wieder von der Ewigkeit verschlungen?
    Was für ein winziges Teilchen ist der Mensch im Verhältnis zum Weltganzen?
    Welch kleines Teilchen von der ganzen Weltseele?
    Wie klein ist endlich das Erdenklümpchen, auf dem du umherkriechst?
    Dies alles bedenke und halte dann nichts für groß als das: Zu tun, was deine Natur dich leitet und zu leiden wie die Allnatur es mit sich bringt!
  • Die Urkraft des Weltganzen ist wie ein gewaltiger Strom, der alles mit sich fortreißt.
    Wie unbedeutend sind selbst diejenigen Staatsmänner, die die Geschäfte nach den Regeln der Weltweisheit zu lenken wähnen.
  • Oh, Eitelkeit, was willst du?
    Tue doch, was gerade jetzt die Natur von dir fordert!
    Wirke, solange du kannst und blicke dich nicht um, ob’s auch einer erfahren wird.
  • Die Philosophie lehrt mich Einfachheit und Bescheidenheit.
    Fort mit vornehm tuender Aufgeblasenheit!
  • Sei zufrieden, wenn es auch nur ein klein wenig vorwärts geht und halte auch einen solchen kleinen Fortschritt nicht für unbedeutend!
  • Die Allnatur bildet aus der körperlichen Gesamtmasse wie der Künstler aus Wachs ein Pferd, bald schmilzt sie es wieder ein und verwendet den selben Stoff mit zur Hervorbringung eines Baumes, dann eines Kindes und wieder eines anderen Wesens.
    Jedes der selben hat jedoch nur auf kurze Zeit Bestand.
  • Die Natur steht niemals gegen die Kunst zurück. Vielmehr sind die Künste Nachahmerinnen der Natur und wenn dies so ist, dürfte die vollkommenste und alles andere umfassende Natur der künstlerischen Geschicklichkeit nicht nachstehen.
    Alle Künste aber verfertigen das Unvollkommene und des Vollkommenen willen. So verfährt auch die Allnatur.
  • Alles ist verwandt und miteinander verbunden.
    Alles Dinge, die irgend etwas Gemeinschaftliches haben, streben zur Vereinigung hin:
    Was von der Erde ist, neigt sich zur Erde.
    Das Feuchte und gleichermaßen alles Luftige fließt zusammen, sodass es der Gewalt bedarf, um solche Stoffe auseinander zu halten.
    Das Feuer zwar hat seinen Zug nach oben, doch ist es zugleich geneigt, mit jedem hier befindlichem Feuer sich zu entzünden, sodass alle Stoffe, die nur einigermaßen trocken sind, leicht in Brand geraten.