Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

30 
 Januar 
 
2018


 

Faust will die Welt in ihrem Ganzen erfassen und die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet wissen. Rast- und ruhelos studiert er die Wissenschaften, greift nach Mitteln der Magie und muss doch erkennen, dass er seinen Ansprüchen nicht gerecht wird. Desillusioniert und von Selbstzweifeln geplagt verlässt er seine Studierstube und versucht an der Seite einer mysteriösen, aus dem Nichts auftauchenden Gestalt namens Mephistopheles im wahren Leben sein Verlangen nach Wissen und Erfahrung zu stillen. Er trifft auf die junge Margarete, in die er sich leidenschaftlich verliebt und die er um jeden Preis besitzen möchte. In dem unschuldigen Mädchen sieht er seine Rettung, während er für Margarete den Untergang bedeutet.

Zwischen 1772 und 1775 in Frankfurt am Main entstanden, ist der Urfaust das Werk eines jungen Stürmers und Drängers. Energiegeladen, formal unbändig und weitgehend in Prosa verfasst, ließ Goethe sich von der Verurteilung und Hinrichtung der Kindesmörderin Susanna Margarethe Brandt inspirieren. Faust ist neues Sternchenthema in Baden-Württemberg und wird ab 2019 im Abitur geprüft.

Quelle: Die Badische Landesbühne

Vieles war Faust an diesem Abend.

Schon die gesprochene Einführung im Vorraum der Stadthalle Buchen stilisierte sich bezüglich der Informationsdichte zu einer geballten Faust.

Sehr gut in Szene gesetzt zu Beginn der Aufführung war die “Lehmgrube” des Prometheus, die Schöpferstätte des Titanensohnes, die gestaltungstechnisch aus wirr verstreuten Kleidungsstücken auf der Bühne Ausdruck fand, aus dem sich die ersten Menschen erhoben, in einer Art “Entlarvungsvorgang/Häutung” gemäß des Zwiebelschalenprinzips sich teilweise textil enthüllten und mit eingespielten Klängen das goethe’sche Sturm- und Dranggedicht “Prometheus” schauernd im Sprechchore Stimme verliehen.

Nach dem gespielten Urfaust ging es mit dem heutigen Theaterbeiwohner Fridolin ins Milchhäusle zu einem trinkenbaren, gespülten Faust(bier), denn der Schwanen hatte am Dienstag seinen Ruhetag und “tunkte sein Haupt ins heilig nüchterne Wasser” (Hölderlin).

 
 
17 
 Februar 
 
2008


 

Resümee meines ersten Poetry Slams in Heidelberg (16.02.08)

Man sollte sich und seiner Art immer treu bleiben, in jeder Beziehung.

Wieso?
Weil man dann authentisch wirkt, weil man eine Rolle nicht nur spielt, sondern sie auch ist.
Weil man mit jeder Faser seines Daseins dahintersteht, mit jedem Zucken oder Nichtzucken eines Gesichtsmuskels für den Text bürgt.

Das war die Erfahrung, die ich gestern in leicht gedrückter Stimmung machen durfte.

Nun gut, es war mein erster Slam und ich betrachte ihn als “Freischuss”, als Feintuning künftiger Auftritte.

Meine Textwahl-Strategie (die ich 2 Tage zuvor noch änderte) war folgende: “Bloß keinen schwerverdaulichen, mit Metaphern überfrachteten Text wählen, der im griechisch-elegischen Versmaß daher kommt und unbekannte Pfade der griechischen Mythologie beschreitet. Kurzum: keinen Text, der das Publikum überfordern könnte.”
Ich wollte einen publikumskonformen Text, lockig, flockigen Text, der leicht von den Lippen, noch leichter ins Ohr geht.

Deshalb griff ich auf einen älteren Text (in Knittelversen, gut verständlich), der allerdings auch schon um gute 8 Jahre gealtert war.
Vielleicht war er auch zu abgegriffen, zu simple, zu plagiathaft.

Jeder durchlebt ja beim Schreiben gewisse “Reife-Etappen” und mit dieser damaligen Stufe konnte ich mich ehrlich gesagt aus der Jetzt-Perspektive nicht mehr identifizieren.
Vielleicht habe ich ihn deshalb so geschnuddelt vorgelesen nebst der vielen Aufregung, trockenem Mund und den grellen Scheinwerfern, die ich im Vorfeld nicht einkalkuliert hatte.
Weiß der Geier…

Mein zweiter Text war vom November 2007 im Hexametermaß.
Gerade diesen etwas kleineren Text studierte ich zuhause im stillen Gemach auch gestikulierend und mit begleitender Stimmbetonung ein.
Doch zum Körpereinsatz kam es irgendwie nicht. Ich klebte förmlich am Mikrophon und es wäre wohl besser gewesen, wenn ich es abmontiert und in die Hand genommen hätte.

Ich fühlte mich unter Zeitdruck, obwohl die Moderation bei allen Slammern sehr toleranten Umgang mit dem Zeitlimit pflegte, was ich als sehr angenehm empfand.
Sehr sozial empfand ich auch das Publikum, keiner der Kandidaten wurde ausgebuht, jedem wurde applaudiert.
Die Veranstaltung war eh von einem gegenseitigen Respekt geprägt.

Sebastian 23 (Sieger!), nebst den vielen anderen, legte wieder einmal ein souveränes Auftreten an den Tag bzw. Abend.

Sebastian 23 ist Mitglied in der SMAAT, der ersten deutschsprachigen Poetry Slam-Boyband Deutschlands, der Schweiz und Österreichs.
Das Geheimnis seines Erfolgs liegt sicherlich nicht nur an seinen wortverspielten und kunstvoll vorgetragenen Texten.
NEIN, er spielt eben keine Rolle, er IST die Rolle und wirkt authentisch. That’s it!

Vielleicht sollte ich daran auch üben.
Nicht unbedingt, um an die hohe Qualität der anderen Texte und deren Performance heranzukommen.
Nein, zu hoch liegt die Latte und das ist auch nicht mein Bestreben.

Aber mich selbst zu sein, nicht mit Fackel, sondern Teelicht, nicht mit Megaphon, sondern Flüsterton.
Daran möchte ich arbeiten.

Vielleicht hätte ich dann auch den ursprünglich angestrebten Text
“Die Macht der Kategorie” vortragen können.
Allerdings fehlt mir hier noch eine Menge Portion Stimmbegabung, Vortragskunst und Abgebrühtheit.

“Die Zeit wird’s lehren” (Aus: “Der über uns” von Lessing).