Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

12 
 April 
 
2018


 

DICHTUNG Friedrich Schiller
LESUNG Jürgen Goslar
BEREITSTELLUNG wortlover



Drei Worte nenn ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde,
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren,
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke,
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Innres gibt davon Kunde,
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
So lang er noch an die drei Worte glaubt.

 
 
23 
 Februar 
 
2018

abgelegt in
Domin, Hilde

 
  • Schreiben ist die Notwendigkeit zu sagen, was in einem ist.
  • Dichtung ist ein Augenblick von Freiheit.
  • Dichten ist zweckfrei, stößt einem zu und hatte im Nachhinein einen Sinn, ist eine Gnade. Schreiben ist eine Rettung.
    Man muss zwei Sachen tun, man muss auf der einen Seite das Wort haben, auf der anderen Seite die Erfahrung.
  • Es gibt beim Dichten auch keinen “Dritten”. „Ich halte mich wie Virginia Woolf an den Grundsatz: Nicht schielen. Weder nach dem möglichen Leser noch nach den maßgebenden Kritikern“.
  • Ein Gedicht kommt zustande durch ein Miteinander- und Gegeneinander von Ratio und Emotion, ist ein “gefrorener Augenblick”. Der Dichter hat das Glück, die “Gnade”, das sie aussprechen können, das sie zutiefst bewegt und das er auch in der Lage ist, dies handwerklich gut zu machen.
  • Ein Gedicht ist die Kunst, mit wenig viel zu sagen.
  • Im Gegensatz von privaten Aufzeichnungen entfällt der nicht exemplarische Umstand. Es bleibt das Modellhafte der Erfahrung.
  • Die intensiven Augenblicke, in denen man selbst ist, brauchen kein Wozu und sind zweckfrei.
  • Gedichte können neben (verschlissenen) Reime auch einen Auf- und Abschwung haben (Klangfarbe).
 
 
8 
 Januar 
 
2018


 

DICHTUNG Erich Kästner
LESUNG Erich Kästner



Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
– und es ist sein Beruf etwas zu wollen –
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein.
Es könnte glücklich sein und glücklich machen?
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.

Selbst Geist und Güte gibt´s dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.
Was man auch baut – es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!