Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

4 
 September 
 
2012

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DICHTUNG Gottfried Benn
LESUNG Gottfried Benn



“Rot ist der Abend auf der Insel von Palau
und die Schatten sinken -”
singe, auch aus den Kelchen der Frau
läßt es sich trinken,
Totenvögel schrein
und die Totenuhren
pochen, bald wird es sein
Nacht und Lemuren.

Heiße Riffe. Aus Eukalypten geht
Tropik und Palmung,
was sich noch hält und steht,
will auch Zermalmung
bis in das Gliederlos,
bis in die Leere,
tief in den Schöpfungsschoß
dämmernder Meere.

Rot ist der Abend auf der Insel von Palau
und im Schattenschimmer
hebt sich steigend aus Dämmer und Tau:
“niemals und immer”,
alle Tode der Welt
sind Fähren und Furten,
und von Fremden umstellt
auch deine Geburten –

einmal mit Opferfett
auf dem Piniengerüste
trägt sich dein Flammenbett
wie Wein zur Küste,
Megalithen zuhauf
und die Gräber und Hallen,
Hammer des Thor im Lauf
zu den Asen zerfallen –

wie die Götter vergehn
und die großen Cäsaren,
von der Wange des Zeus emporgefahren –
singe, wandert die Welt
schon in fremdestem Schwunge,
schmeckt uns das Charonsgeld
längst unter der Zunge.

Paarung. Dein Meer belebt
Sepien, Korallen,
was sich noch hält und hebt,
will auch zerfallen,
rot ist der Abend auf der Insel von Palau,
Eukalyptenschimmer
hebt in Runen aus Dämmer und Tau:
niemals und immer.

 
 
24 
 August 
 
2012


 

DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Nelly Sachs
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Einer
wird den Ball
aus der Hand der furchtbar
Spielenden nehmen.
Sterne
haben ihr eigenes Feuergesetz
und ihre Fruchtbarkeit
ist das Licht
und Schnitter und Ernteleute
sind nicht von hier.
Weit draußen
sind ihre Speicher gelagert
auch Stroh
hat einen Augenblick Leuchtkraft
bemalt Einsamkeit.
Einer wird kommen
und ihnen das Grün der Frühlingsknospe
an den Gebetmantel nähen
und als Zeichen gesetzt
an die Stirn des Jahrhunderts
die Seidenlocke des Kindes.
Hier ist
Amen zu sagen
diese Krönung der Worte die
ins Verborgene zieht
und
Frieden
du großes Augenlid
das alle Unruhe verschließt
mit dem himmlischen Wimpernkranz
Du leiseste aller Geburten.

 
 
24 
 August 
 


 

DICHTUNG Nelly Sachs
LESUNG Nelly Sachs
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Vielleicht aber braucht Gott die Sehnsucht,
wo sollte sonst
sie auch bleiben,
Sie, die mit Küssen und Tränen und Seufzern füllt die
geheimnisvollen Räume der Luft-

Vielleicht ist sie das unsichtbare Erdreich,
daraus die glühenden
Wurzeln der Sterne treiben-
Und die Strahlenstimme über die Felder der Trennung, die zum
Wiedersehn ruft?

O mein Geliebter, vielleicht hat unsere Liebe in den Himmel
der Sehnsucht schon Welten geboren-
Wie unser Atemzug, ein-und aus, baut eine Wiege für Leben
und Tod?

Sandkörner wir beide, dunkel vor Abschied, und in das goldene
Geheimnis der Geburten verloren,
Und vielleicht schon von kommenden Sternen, Monden und
Sonnen umloht.