Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

15 
 September 
 
2008

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2

 

Annegret

ein Gedicht zum Thema “Fleisch”
von Schlunz vegan



 
Die Annegret hat ein Gerät,
mit dem man tote Schweine brät.
Doch weil das Ding so krank ausschaut,
hat sie’s auch gleich im Schrank verstaut.
Da sitzt sie nun und sagt sich leise:
Rohe Schweine schmecken scheisse!
Geht los, kauft sich nen grossen Topf
und kocht darin nen Schweinekopf.
Das Hirn quillt raus, die Augen auch,
und schwimmen zwischen Speck und Lauch.
Das Ganze drei mal umgerührt,
danach wird dann der Kopf tranchiert.
So steht sie vor mir mit ner Säge,
in meinem Magen dreht sich’s rege,
sägt und schnippelt an dem Schädel…
völlig weich, das arme Mädel.
Die Ohren gibts beim Bäcker auch,
mit Zucker, ohne Speck und Lauch.
Doch Nase, Backen und die Augen,
tun nich mal was als Kuchen taugen.
Sie sticht ganz tief, es spritzt das Blut
“Das Ding is ja noch gar nich gut!”
Das Kochen dauert seine Zeit,
doch Hunger macht sich in ihr breit.
Da fällt ihr ein, dass son Gerät,
zum Braten ja im Schrank noch steht.
Sie holt es raus, obwohl ihr graut,
dass dieses Ding voll krank ausschaut.
Das abgetrennte Einerlei,
die Zunge und den ganzen Brei,
legt sie nun auf das Bratgerät,
so wie`s in Mutters Kochbuch steht.
Der Schädel grinst mich wässrig an,
ob sowas nasses braten kann?
Das Ding fängt furchtbar an zu zischen,
doch Annegret, die steht inzwischen
tief versunken überm Topf
und sucht die Augen von dem Kopf.
So habe ich nun schnell kapiert,
dass dieser Kopf bald explodiert,
mache mich ganz flink vom Acker,
sag noch: “Anne, halt Dich wacker!”
Schliesse hinter mir die Tür
und frag mich: Was kann ich dafür?

(Schlunz 1999)

 
 
1 
 September 
 
2008


 

Die Weltesche Yggdrasil
in Anlehnung an die nordische Sage
 
 
Tiefe Trauer bei Göttern und Menschen, als der verderbliche Pfeil des
Hödur, vom Unheil gelenkt, Baldurs Götterbrust traf.

Nur die finsteren Riesen und missgestalteten Zwerge
hoben frohlockend das Haupt, als Baldurs Sonnenaug’ brach.
Denn mit Erlöschen, Ermatten des Glanzes der Sonne
wuchs auch der Finsternis Macht, die sich nun reckend erhob.

Auch der Weltesche Yggdrasil welkten die immergrünen
Blätter und Himmelsgestirn mahnte der goldenen Zeit
nahendes Ende.

So auch begannen die Asen zu altern.
Denn Iduna, die stets wachende Göttin am Quell
ewiger Jugend versagte dem Weltbaum hinforten den lebens-
spendenden Met und entlaubt wiegte sich dürres Geäst,
wo Njördis Windesgespielinnen einst durch zitterndes Blattwerk
rauschten. Entflohn ward der Glanz heiligen Götterbezirks.

 
 
27 
 April 
 
2008


 

An Diotima
 
Götter wandelten einst bei Menschen, die herrlichen Musen
und der Jüngling, Apoll, heilend, begeisternd wie du.

Und du bist mir, wie sie, als hätte der Seligen Einer
mich ins Leben gesandt, geh ich, es wandelt das Bild
meiner Heldin mit mir, wo ich duld und bilde, mit Liebe
bis in den Tod, denn dies lernt ich und hab ich von ihr.

Laß uns leben, o du, mit der ich leide, mit der ich
innig und gläubig und treu ringe nach schönerer Zeit.

Sind doch wirs! Und wüßten sie noch in kommenden Jahren
von uns beiden, wenn einst wieder der Genius gilt,
sprächen sie: es schufen sich einst die Einsamen liebend
nur von Göttern gekannt ihre geheimere Welt.

Denn die Sterbliches nur besorgt, es empfangt sie die Erde,
aber näher zum Licht wandern, zum Aether hinauf
sie, die inniger Liebe treu, und göttlichem Geiste
hoffend und duldend und still über das Schicksal gesiegt.

Persönlicher Nachtrag
Moralische Konflikte stellen sich bei mir in diesem Gedicht trotzdem ein, zumal Hölderlin dieses Gedicht Susette Gontard, einer verheiratete Frau und seiner Geliebte zugleich, widmete.