Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 April 
 
2018


 

DICHTUNG Rainer Maria Rilke
LESUNG Gert Westphal
BEREITSTELLUNG wortlover



Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund

tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.

 
 
19 
 Mai 
 
2017

abgelegt in
Gedankenschau

 

Ich weiß, dass ich auf viele Menschen eine anstrengende Gegenwart ausübe.
So sei es, meine Gedichte sind sicherlich auch anstrengend.

Manchmal köpfschüttelnd, zuweilen auch abwinkend, meinte meine Mutter schon desöfteren, ich müssse eben zu meinem Naturell und meinen Texten das passende weibliche Pedant als geneigten Hörer finden.

Ich möchte keiner Frau mehr diese Anstrengung zumuten und daher alleine bleiben, nicht weil ich es will, sondern weil ich es muss.
Denn zu gefallen um des Gefallenwillens ist für mich wiederum sehr anstrengend.

 
 
8 
 September 
 
2015


 

 

DICHTUNG Stefan George
LESUNG Ulrich Tukur

 
Authentische Liebe lässt Raum und Zeit für Wachstum.

Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

Hohelied der Liebe: 8;4

Ich sah sie zum erstenmal…sie gefiel mir nicht:
Es ist an ihr nichts Schönes
Als ihre schwarzen schwarzen Haare.
Mein Mund berührte sie flüchtig eines Tags

Und sehr gefielen mir ihre Haare
Und auch ihre Hand…
Es ist an ihr nichts Schönes
Als ihre Haare – ja – und ihre feine Hand.

Ich drückte sie etwas wärmer eines Tags
Und sehr gefiel mir ihre Hand
Und auch ihr Mund.

Heute ist nichts mehr an ihr
Was mir nicht sehr gefiele
Was ich nicht glühend anbetete.