Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

28 
 April 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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»Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, sondern außerdem die Poesie mit Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen.

Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und
das Leben und die Gesellschaft poetisch machen.

Sie allein ist unendlich, wie sie allein frei ist, und das oberste Gesetz anerkennt, dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. Denn das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben
und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.«

Friedrich Schlegel

 

 

Hymne an die Nacht (3:36)
Novalis (1772 – 1801)

Hinüber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust sein.

Noch wenig Zeiten
So bin ich los
Und liege trunken
Der Lieb im Schoß.

Unendliches Leben
Wogt mächtig in mir,
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.

An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz –
Ein Schatten bringet
Den kühlenden Kranz.

O! sauge, Geliebte,
Gewaltig mich an,
Dass ich entschlummern
Und lieben kann.

Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut,
Zu Balsam und Äther
Verwandelt mein Blut –

Ich lebe bei Tage
Voll Glaube und Mut
Und sterbe die Nächte
In heiliger Glut.

 

 
Wunder der Liebe (5:02)
Ludwig Tieck (1773–1853)

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig auf in alter Pracht!

Liebe lässt sich suchen, finden,
Niemals lernen oder lehren.
Wer da will die Flamm entzünden,
Ohne selbst sich zu verzehren,
Muss sich reinigen von Sünden.

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern.
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.

 

 
Die Sprache der Liebe – Erste Weise (6:21)
August Wilhelm Schlegel (1770 – 1843)

Worte sind nur dumpfe Zeichen,
Die Gemüter zu entziffern,
Und mit Zügen, Linien, Ziffern
lässt sich Wissenschaft erreichen.
Doch seht! Aus des Äthers Reichen
Lässt ein Bild des ewgen Schönen
Nieder zu der Erde Söhnen
Sich in Bild und Ton nun schicken.
Liebe spricht in hellen Blicken,
Liebe denkt in süßen Tönen.

Liebe stammt vom Himmel oben,
Und so lehrte sie der Meister,
Welchen seine hohen Geister
In der selben Sprache loben.
Denn beseelt sind jene Globen.
Strahlend redet Stern mit Stern
Und vernimmt den andern gern,
Wenn die Sphären rein erklingen.
Ihre Wonn ist Schaun und Singen,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Stumme Zungen, taube Ohren,
Die des Wohllauts Zauber fliehn,
Wachen auf zu Harmonien,
Wenn die Lieb sie neu geboren.
Angeschienen von Auroren,
Deren Strahlen leis und fern,
Haucht die Lieb aus starrem Kern
Ihre Sehnsucht aus in Liedern.
Und der Sonne Gruß erwidern,
Nur in Tönen mag sie gern.

Töne sind die Kunst der Liebe.
In der tiefsten Seel empfangen,
Aus entflammendem Verlangen
Mit der Demut heilgem Triebe.
Dass die Liebe treu sich bliebe,
Zorn und Hass sich ihr versöhnen,
Mag sie nicht in raschen Tönen,
Nur mit heitrer Jugend scherzen.
Sie kann Tod auch, Trauer, Schmerzen
Alles, was sie will verschönen.

 
 
2 
 April 
 
2012

abgelegt in
09 → Romantik | Novalis

 

DICHTUNG Novalis
LESUNG Gerd Wameling
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Hinüber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust sein.
Noch wenig Zeiten,
So bin ich los,
Und liege trunken
Der Lieb’ im Schoß.
Unendliches Leben
Wogt mächtig in mir
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.
An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz —
Ein Schatten bringet
Den kühlenden Kranz.
O! sauge, Geliebter,
Gewaltig mich an,
Daß ich entschlummern
Und lieben kann.
Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut,
Zu Balsam und Äther
Verwandelt mein Blut —
Ich lebe bei Tage
Voll Glauben und Mut
Und sterbe die Nächte
In heiliger Glut.

 
 
10 
 März 
 
2012

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Rezitierte Gedichte

 
Brüder (0:22)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Brüder lasst uns lustig sein,
Weil der Frühling währet,
Und der Jugend Sonnenschein
Unser Laub verkläret.
Grab und Bahre warten nicht.
Wer die Rosen jetzo bricht,
Dem ist der Kranz bescheret.

Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt,
So leb ich, weil es leben gilt.
An Rosen such ich mein Vergnügen,
An Rosen, die zu Herzen gehn,
An Rosen, die den Frost besiegen
Und hier das ganze Jahr durchblühn.

Auf Rosen mach ich gute Reime
Auf Rosen schläfet meine Brust.
Auf Rosen hab ich sanfte Träume
Von still und warm und weicher Lust.
Und wenn ich einst von hinnen fahre,
So wünsch ich Rosen auf die Bahre.

 

 

Als er ihretwegen einen schweren Traum hatte (1:40)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Lass mich schlafen, Eleonore!
Willst du nicht zufrieden sein,
Dass ich mich am Tage quäle,
Und mein Herz viel tausend Pein

Deinetwegen muss ertragen?
Soll mich noch ein Schattenspiel
Mit verliebten Träumen plagen?
Engelskind, das ist zu viel!

Können selbst die ärmsten Sklaven,
Wenn das Schiff vor Anker liegt,
Bei der Nacht doch ruhig schlafen,
Ich allein schlaf unvergnügt;

Auch die Nacht kann mich nicht schützen,
Denn mein Herz erfährt dabei,
Dass es muss erbärmlich schwitzen:
Tag und Nacht ist einerlei.

Wenn der überhäufte Kummer
Meinen schwachen Gliederrest
Ganz zuletzt in einem Schlummer
Auf das Bette sinken lässt,

Darf ich zwar zum Himmel steigen,
Welcher deinen Schoß umschleußt,
Weil dein gütiges Bezeigen,
Mir im Traum die Leiter weist.

Und bei meinem süßen Schlafen,
Wenn sich Mast und Segel regt,
Läuft mein Schiff in deinen Hafen,
Den die Venus angelegt.

Ich beschiff bei Sturm und Blitzen
Diese neugefundne Welt,
Wenn die Wellen um mich spritzen,
Und der Schaum ins Bette fällt,

Land ich, eh ich michs versehe,
Bei den Zucker-Inseln an,
So dass ich sie in der Nähe
Halb entzückt besteigen kann.

Wenn ich mich in Träumen paare,
Find ich keinen Widerstand,
Den ich oft bei Tag erfahre.
Denn im Schlaf darf meine Hand

Nach den Purpurmuscheln greifen,
Die dein Ufer ausgesät.
Ja, ich darf noch weiter streifen,
Weil mir alles offen steht.

Aber, ach! wenn ich erwachet,
Sinket mir mein steifer Mut.
Ob ich gleich im Schlaf gelachet,
Und es mir noch sanfte tut.

Denn die Glieder sind zerschlagen,
Und der ausgebrochne Schweiß
Stehet, dass ichs kaum mag sagen,
Auf dem Leibe tropfenweis.

Drum so stelle, liebste Seele,
Künftig hin dein Martern ein.
Da ich mich am Tage quäle,
Lass die Nächte meine sein.

Sich am bloßen Schatten laben,
Ist ein Eis, das bald zerbricht.
Was ich nicht kann wachend haben,
Mag ich auch im Traume nicht.

 

 
An Leonoren (5:30)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Mein Kummer weint allein um dich,
Mit mir ist’s so verloren,
Die Umständ überweisen mich,
Ich sey zur Noth gebohren.

Ach, spare Seufzer, Wuntsch und Flehn,
Du wirst mich wohl nicht wiedersehn
Als etwan in den Auen,
Die Glaub und Hofnung schauen.

Vor diesem, da mir Fleiß und Kunst
Auf künftig Glücke blühte
Und mancher sich um Günthers Gunst
Schon zum Voraus bemühte,

Da dacht ich, wider Feind und Neid
Die Palmen der Beständigkeit
Mit selbst erworbnem Seegen
Dir noch in Schoos zu legen.

Der gute Vorsaz geht in Wind;
Ich soll im Staube liegen
Und als das ärmste Findelkind
Mich unter Leuten schmiegen.

Man läst mich nicht, man stöst mich gar
Noch stündlich tiefer in Gefahr
Und sucht mein schönstes Leben
Der Marter preiszugeben.

So wird auch wohl mein Alter seyn
Ich bin des Klagens müde
Und mag nichts mehr gen Himmel Schreyn
Als: Herr, nun las im Friede!

Kraft, Muth und Jugend sind fast hin,
Daher ich nicht mehr fähig bin,
Durch auserlesne Sachen
Mir Gut und Ruhm zu machen.

Nimm also, liebstes Kind, dein Herz,
O schweres Wort, zurücke
Und kehre dich an keinen Schmerz,
Womit ich’s wiederschicke;

Es ist zu edel und zu treu,
Als daß es mein Gefehrte sey
Und wegen fremder Plage
Sein eignes Heil verschlage.

Du kanst dir durch dies theure Pfand
Was Köstlichers erwerben,
Mir mehrt es nur den Jammerstand
Und läst mich schwerer sterben;

Denn weil du mich so zärtlich liebst
Und alles vor mein Wohlseyn giebst,
So fühl ich halbe Leiche
Auch zweyfach scharfe Streiche.

Ich schwur vor diesem: Nur der Tod,
Sonst soll uns wohl nichts trennen;
Verzeih es jezo meiner Noth,
Die kan ich dir nicht gönnen;

Ich liebe dich zu rein und scharf,
Als daß ich noch begehren darf,
Daß Lorchen auf der Erde
Durch mich zur Wittwen werde.

So brich nur Bild und Ring entzwey
Und las die Briefe lodern;
Ich gebe dich dem ersten frey
Und habe nichts zu fodern.

Es küße dich ein andrer Mann,
Der zwar nicht treuer küßen kan,
Jedoch mit größerm Glücke
Dein würdig Brautkleid schmücke.

Vergiß mich stets und schlag mein Bild
Von nun an aus dem Sinne;
Mein leztes Wüntschen ist erfüllt,
Wofern ich dies gewinne,

Daß mit der Zeit noch jemand spricht:
Wenn Philimen die Ketten bricht,
So sind’s nicht Falschheitstriebe,
Er hast sie nur aus Liebe.

Ich sterbe dir, und soll ein fremder Sand
Den oft durch dich ergötzten Leib bedecken,
So gönne mir das letzte Liebespfand
Und laß ein Kreuz mit dieser Grabschrift stecken:
Wo ist ein Mensch, der treulich lieben kann?
Hier liegt der Mann.

 

 
Grabinschrift (7:24)
Johann Christian Günther (1695 – 1723)

Hier starb ein Schlesier, weil Glück und Zeit nicht wollte,
Dass seine Dichtkunst ganz zur Reife kommen sollte.
Mein Pilger, lies geschwind und wandre deine Bahn,
Sonst steckt dich noch mein Staub mit Lieb und Unglück an.