8 September 2015 | |
DICHTUNG | Stefan George | |
LESUNG | Ulrich Tukur |
Authentische Liebe lässt Raum und Zeit für Wachstum.
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.
Hohelied der Liebe: 8;4
Ich sah sie zum erstenmal…sie gefiel mir nicht:
Es ist an ihr nichts Schönes
Als ihre schwarzen schwarzen Haare.
Mein Mund berührte sie flüchtig eines Tags
Und sehr gefielen mir ihre Haare
Und auch ihre Hand…
Es ist an ihr nichts Schönes
Als ihre Haare – ja – und ihre feine Hand.
Ich drückte sie etwas wärmer eines Tags
Und sehr gefiel mir ihre Hand
Und auch ihr Mund.
Heute ist nichts mehr an ihr
Was mir nicht sehr gefiele
Was ich nicht glühend anbetete.
5 Mai 2012 | |
DICHTUNG | Ernst Toller | |
LESUNG | Ernst Toller | |
BEREITSTELLUNG | wortlover |
Wann endlich, Tiere, bündet Ihr Euch
Zum Bunde, wider die Menschheit?
Ich, ein Mensch,
Rufe Euch auf!
Euch Nachtigallen, geblendet mit glühender Nadel,
Euch Hammel, gewürgt in Kasematten vergaster Übungsschiffe,
Euch Esel, sanfteste Tiere, zusammenbrechend unter Peitschenhieben,
Euch Strauße, zuckenden Atems gerupft und fühlenden Herzens,
Euch Pferde, sonnenlos werkend in verpesteten Schächten,
Euch Bären, dressiert auf glühender Eisenmatte,
Euch Löwen, gezähmt im Zirkus von stählerner Knute,
Euch Alle Euch Alle
Rufe ich auf!
Erwachet!
Rächen wollen wir
Die Opfer des Menschen:
Tiere für Gaumenkitzel atmend gefoltert,
Tiere für Modelaunen lachend geschunden,
Tiere berauschten Arenen eitel geopfert,
Tiere in Kriegen sinnlos zerfetzt…
Ich will mich an Eure Spitze stellen, Ich, ein Renegat der Menschheit,
Will Euch führen gegen den einen Feind
Mensch.
Tiere der Wüste: Brüllet Alarm!
Tiere des Dschungels: Heulet Sturm!
Keine Unterscheidung lassen wir gelten,
Weiße und Schwarze, Gelbe und Braune,
Alle alle Erdschänder! Muttermörder! Sternenräuber!
15 April 2012 | |
aus: “Sebastian im Traum”
Wanderschaft durch dämmernden Sommer
An Bündeln vergilbten Korns vorbei. Unter getünchten Bogen,
Wo die Schwalbe aus und ein flog, tranken wir feurigen Wein.
Schön: o Schwermut und purpurnes Lachen.
Abend und die dunklen Düfte des Grüns
Kühlen mit Schauern die glühende Stirne uns.
Silberne Wasser rinnen über die Stufen des Walds,
Die Nacht und sprachlos ein vergessenes Leben.
Freund; die belaubten Stege ins Dorf.
Dichtung | Georg Trakl | |
Lesung | Frederik Kranemann | |
Bereitstellung | Der Critische Musicus |