Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 August 
 
2009


 

Ich grüß’ Euch mit dem Palmenzweige!

Mein angekündigtes Manuskript hatte noch etliche Korrekturen vonnöten und ich zögerte darum bis heute, es Euch vorzulegen. Verzeiht mein Säumen!

Unterdessen sinne ich auch schon seit einiger Zeit um eine Verquickung des Themas meiner wissenschaftlichen Hausarbeit (“Handlungsorientierter Unterricht”) mit den Denkansätzen Eures Bewegungstheaters. Auch die Eurythmie bietet in dieser Hinsicht äußerst fruchtbaren Boden.

So vielbescholten die Bibel auch sein mag, wie oft sie vom pietistischen Pathos auch gepriesen wurde: ein Gedankenod steht für mich unverückbar auf meinem Herzens-Panier :”Wisst Ihr nicht, dass eurer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?” (1. Korrinther 3, 16).

Vielleicht sind es auch mehrere Götter, die in uns wohnen oder -besser gesagt- die in unseren Sinnesorganen wohnen (ähnlich der sensumotorischen Intelligenz nach Piaget), beheimatet und verORTet sind und sich in ihnen verkünden (möchten).
Verkündigen folgt durch Ausdruck, durch körperlichen Ausdruck.
Jeder Sinneskanal beherbegt einen eigenen Gott, einen eigenen Ausdruck.
Den Begriff Gott möchte ich hier nicht weiter spezifizieren. Er kann ein Naturphänomen sein, eine Idee oder Teil eines höheren Vernunftprinzips.
Der körperliche Ausdruck kann viuseller, akustischer, taktil-kinästhetischer (…) Natur sein.
Die jeweilige “Reflexzone” korrespondiert -sinnbildlich mit dem Homunculus gesprochen- mit einem mentalen Gegenstand, eine geistige Repräsentation eines Gottes, der im Geiste erfasst wird.

Mit diesem körperlichen Ausdruck (Bewegungstheater) ließen sich symbolisch formulierte Unterrichtsinhalte choreographisch “enaktiv” (Jerome Bruner) nachbilden (“(Geistes-)Bildung” kommt von Bild), innerhalb einer Zeitachse ähnlich wie in der Musik die Noten im Aufeinanderfolgen unterschiedlichen Spiellängen folgen.
Es ähnelt vielleicht der Gleichgewichtsübung im Glasperlenspiel von Hermann Hesse.
Inhalte lassen sich allegorisch in Bewegungen abbilden.

Bewegungen sind daher gleichsam eine tänzerische geradezu elegische Anrufung einer Gottheit durch das betreffende Sinnesorgan im Sinne des Pantheismus.

Bewegungen dienen einer poly- und synästhetischen Gottesverherrlichung.

Da der eigene Körper kulturunspezifisch ist, sei in diesen Bewegungsmustern eine Universalität anzustreben (auf der Folie der Archetypenlehre nach Jung).

Es gäbe diesbezüglich noch vieles zu berichten.

Mein ursprünglich gedachtetes Manuskript folgt in Bälde.

Mit freundlichem Federschwung
Ralph Schumacher

 
 
16 
 Mai 
 
2008

abgelegt in
Kapitel III.

 

 



Prometheus
 

Körper und Geist

Ewig entrauscht schon kristallenem Urquell des göttlichen Willens
wundersam Seele, bestrebt, Heimat im Weltenbezirk,
Wohnung in ird’schem Gefäße zu finden. Denn die Idee des
Wahren, des edleren Sinns göttlich verborgenen Seins
möchte als ew’ge Gestalterin in der Welt der Erscheinung,
in der Materie Reich einzig beheimatet sein.

Möchte gestalten der klumpen Masse sterbliche Hülle,
prägen und kunstvoll grazil Anmut verleih’n. Und die Hand
bildenden Geists formt geduldig nach höherm Prinzip das
Wesen allen Geschöpfs: Pflanze, Getier als auch Mensch.

Denn im Vergänglichen erst reift die Vernunft, sie zähmt ihrer Stoffe
wilder Mechanik und drängt zur Vervollkommung hin.


 


 

Also erhub auch Prometheus, der stolze Titanensohn sich, be-
seelten Tatendrangs voll. Denn der Leib der Erdengeschöpfe
ward noch nicht so beschaffen, dass göttlicher Geist ihn beherrschen,
gänzlich Besitz gar ergreife konnte und befriedet, bezwung’ne
Triebe in heiligem Wandel sich zeigten.

Sei’n es die Pflanzen,
oder die Tiere, die wilden, alles noch folgte dem Laster
planlosem, blindem Gefüge.

Jenes gewahrte Prometheus,
nahm drum vom Ton feuchter Grube und formte geduldig den Klumpen,
dass er fasse geschmeidige Züge von Menschengestalt, als
rühmendes Ebenbild des olympischen Herrschergeschlechtes:
 

Hände liebkosten und Finger polierten mit Gleichmaß des plumpen
Lehmkloßes schroffe Konturen, damit aus der Ungestalt Erden-
scholle mit Feingefühl die nun rundungsvolle durch Venus’
Gnaden schönheiterstehende Statur rankt und dann tonge-
brannt im Farbgewand noch lieblicher prangt schönes Kunstwerk.

 
Was jedoch nutzen dem prunken Gefäß zierlich gewundene Linien?
Was gebieren die rührenden Seufzer bei andächt’ger stiller
Wohlgestalt? Oh, nimmer mit gar weiser Einsicht erspüren
sie den rechten Pfad auf des Lebens Drangsal verschlung’nen
Wegen!

So trat die Göttin der Weisheit, Pallas Athene,
barmend hinzu und blies in das tönern Gefäß nun den Geist, und
göttlicher Funke entfachte in bisher erfahr’ner Umnachtung.

Nebst der Athene Geschenk, der Vernuft, bescherte Hephaistos,
Glieder beseelend, die Erdengebor’nen mit Fingergeschick für
klugen Werkzeuggebrauch: der Kultur empfangene Segnung.

Eins in das and’re ergossen: Der wohlgeziemeten Götter
Tracht in wohlgelungene Fleischespracht. Für das heilig
Amt nun bedacht, entsendet als ird’schen Regenten an götter-
statt, um durch frommer Sitten Bewahrung mit heilsamen Händen
treu zu verwalten das kostbare Erdengut, als Leihpfand der Götter.

 

16ter Mai 1827,  Scardanelli *    

 
 
27 
 April 
 
2008


 

An Diotima
 
Götter wandelten einst bei Menschen, die herrlichen Musen
und der Jüngling, Apoll, heilend, begeisternd wie du.

Und du bist mir, wie sie, als hätte der Seligen Einer
mich ins Leben gesandt, geh ich, es wandelt das Bild
meiner Heldin mit mir, wo ich duld und bilde, mit Liebe
bis in den Tod, denn dies lernt ich und hab ich von ihr.

Laß uns leben, o du, mit der ich leide, mit der ich
innig und gläubig und treu ringe nach schönerer Zeit.

Sind doch wirs! Und wüßten sie noch in kommenden Jahren
von uns beiden, wenn einst wieder der Genius gilt,
sprächen sie: es schufen sich einst die Einsamen liebend
nur von Göttern gekannt ihre geheimere Welt.

Denn die Sterbliches nur besorgt, es empfangt sie die Erde,
aber näher zum Licht wandern, zum Aether hinauf
sie, die inniger Liebe treu, und göttlichem Geiste
hoffend und duldend und still über das Schicksal gesiegt.

Persönlicher Nachtrag
Moralische Konflikte stellen sich bei mir in diesem Gedicht trotzdem ein, zumal Hölderlin dieses Gedicht Susette Gontard, einer verheiratete Frau und seiner Geliebte zugleich, widmete.