Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 Juni 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die wilden Gänse (1:15)
Hoffmann von Fallersleben (1798– 1874)
Ihr wilden Gänse habt es gut,
Ihr ziehet frei und wohlgemut
Von einem Strand zum andern Strand
Durchs ganze liebe deutsche Land.

Uns zahmen Menschen gehts nicht so:
Wir reisten gern auch frei und froh
Ununtersucht und unbekannt
Durchs ganze liebe deutsche Land.

Kaum sind wir aber fort von Haus,
So muss auch schon der Pass heraus.
Wir werden niemals sorgenfrei
Vor lauter Maut und Polizei.

O dass doch einer es erdenkt,
Wie man den Luftball sicher lenkt!
Hier hört nicht auf die Hudelei –
Nur in den Lüften sind wir frei.

Mein Vaterland (2:50)
Hoffmann von Fallersleben (1798– 1874)
Meine Liebe, du mein Vaterland,
Wie könnt ich dein vergessen!
Ich weiß, was du mir bist,
Wenn auch die Welt ihr Liebstes
Und Bestes bald vergisst.
Ich sing es hell und ruf es laut:
Mein Vaterland ist meine Braut!
Wie könnt ich dein vergessen!
Ich weiß, was du mir bist.

Wie könnt ich dein vergessen!
Dein denk ich allezeit!
Ich bin mit dir verbunden,
Mit dir in Freud und Leid.
Ich will für dich im Kampfe stehn,
Und sollt es sein, mit dir vergehn.
Wie könnt ich dein vergessen!
Dein denk ich allezeit.

Wie könnt ich dein vergessen!
Ich weiß, was du mir bist,
So lang ein Hauch von Liebe
Und Leben in mir ist.
Ich suche nichts als dich allein,
Als deiner Liebe wert zu sein.
Wie könnt ich dein vergessen!
Ich weiß, was du mir bist.

Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör ich dir mit Herz und Hand.
Was ich bin und was ich habe,
Dank ich dir, mein Vaterland!

Nicht in Worten nur und Liedern
Ist mein Herz zum Dank bereit,
Mit der Tat will ich erwidern
Dir in Not, in Kampf und Streit.
Treue Liebe bis zum Grabe
Schwör ich dir mit Herz und Hand.
Was ich bin und was ich habe,
Dank ich dir, mein Vaterland!

Das Lied der Deutschen (5:42)
Hoffmann von Fallersleben (1798– 1874)
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält.
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang.
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Gründers Mittagslied (1:15)
Hoffmann von Fallersleben (1798– 1874)
Ich bin ein Gründer, froh und frisch,
Schon heute setz ich mich zu Tisch,
Als dürft ich weiter mich nicht quälen,
Als meine Zinsen nur zu zählen.

Gottlob, ich weiß mir selber Rat,
Nichts soll mich kümmern, Stadt noch Staat:
Dem Gründerleben treu ergeben,
Verschaff ich mir ein würdig Leben.

Was gehet das Verdienst mich an?
Nur der Verdienst ist doch mein Mann:
So flecht ich mir zum eignen Lohne
Aus Aktien eine Bürgerkrone.

 
 
20 
 Oktober 
 
2012


 

DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Ulrich Matthes


 

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt — wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich — Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual;
Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
Auf meine Brust — Gottlob! Sie weichen!

Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

 
 
10 
 April 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Lenore (0:50)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen? –
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.

Der König und die Kaiserin,
Des langen Haderns müde,
Erweichten ihren harten Sinn,
Und machten endlich Friede.
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.

Und überall all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
Gottlob! rief Kind und Gattin laut,
Willkommen! manche frohe Braut.
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.

Sie frug den Zug wohl auf und ab,
Und frug nach allen Namen.
Doch keiner war, der Kunde gab,
Von allen, die da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr schwarzes Haar
Und warf sich hin zur Erde,
Verzweifelt, was nun werde.

Lenore weinte und sie rang
Die Hände bis zum Untergang
Der Sonne. Bis am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Als sie schon schlief! gings trapp trapp trapp,
Als wie von Rosseshufen;
Und klirrend stieg ein Reiter ab,
An des Geländers Stufen.

Und horch! Es klirrt der Pfortenring
Ganz lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
Lenore, du, mach auf mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist du gegen mich gesinnt?
Sag, weinest oder lachst du? –

Ach, Wilhelm, du? – So spät bei Nacht? –
Geweinet hab ich und gewacht.
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du hergeritten? –
Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen.
Ich habe spät mich aufgemacht,
Und will dich mit mir nehmen. –

Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!
Den Baum und Strauch durchsaust der Wind,
Herein! In meinen Armen,
Herzliebster, sollst erwarmen! –
Lass sausen doch den Wind, den Sturm!
Lass sausen, Kind, lass sausen!
Der Rappe scharrt, zwölf schlägts vom Turm
Ich darf allhier nicht hausen.

Komm, schürze, spring und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Musst heut noch hundert Meilen
Mit mir ins Brautbett eilen. –
Was willst du hundert Meilen noch
Mich heut ins Brautbett tragen?
Still, Liebste! Horch, die Glock brummt noch,
Die zwölf schon angeschlagen.

Lenore, sieh! der Mond scheint hell.
Wir und die Toten reiten schnell.
Ich bringe dich, was Wette,
Noch heut ins Hochzeitsbette.
Sag an, wo ist dein Kämmerlein?
Wo? Wie dein Hochzeitbettchen? –
Weit, weit von hier! – Still, kühl und klein! –
Sechs Bretter und zwei Brettchen! –

Hats Raum für mich? – Für dich und mich!
Komm, schürze, spring und schwinge dich!
Die Hochzeitgäste hoffen.
Die Kammer steht uns offen. –
Lenore schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Ross behende.
Um den geliebten Wilhelm schlang
Sie ihre Lilienhände.

Und hurre hurre, hopp hopp hopp!
Gings fort in sausendem Galopp,
Dass Ross und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.
Wie flogen rechts, wie flogen links,
Gebirge, Bäum und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt und Flecken! –

Graut Liebchen dir? – Der Mond scheint hell! –
Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen dir vor Toten? –
Ach! Wilhelm, lass die Toten! –
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette tut sich auf!
Die Toten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle. –

Da sieh! Da sieh! im Augenblick,
Sieh nur! ein grässlich Wunder!
Des Reiters Kleidung, Stück für Stück,
Fiel ab, wie mürber Zunder.
Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf,
Sein Körper zum Gerippe,
Mit Stundenglas und Hippe.

Hoch bäumte sich, wild schnob sein Pferd,
Und sprühte Feuerfunken.
Wie Nebel war es in der Erd
Verschwunden und versunken.
Sie hört Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel hört sie aus der Gruft.
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.