Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

17 
 Juli 
 
2023


 

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Urtext: “Ich denke dein” von Friederike Brun
Kontrafaktur: Johann Wolfgang von Goethe
Vertonung: Franz Schubert
Gesang: Dietrich Fischer-Dieskau
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Text:

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh’ ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.
O, wärst du da!

 
 
27 
 April 
 
2019


 

Die hoffnungsfrohe Mondgöttin

 
MUSIK
Claude Debussy [1]Clair de lune


Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Rainer Maria Rilke [2]aus: “Das ist die Sehnsucht”

 
Silberklang

 
Was birgt
der Genien Geisterreich?

Was wirkt
der Parzen [3]Gemeint ist insbesondere die Schicksalsgöttin Klotho,
die den Lebensfaden spinnt.
Fingerstreich [4]Schicksalsstreich
am sausend Webgestühl
der Schicksalsgöttin Tyche?
Was bürgt
des Zwirnes wirrer Lebensfaden?

Was hält
Apollons [5]Gott der Dichtkunst und des Gesanges Saitenspiel,
die heit’ren und oft klagen Lieder, [6]die munt’ren und auf traur’gen Lieder
mir nun auf dumpfer Leier [7]auf missgestimmter Leier
wohl bereit?

* * *

In all dem brausend Weltgewühl,
wo finde tröstend ich mich ein?

An deiner treuen Seit’,
Gefährtin Einsamkeit,
nun wieder?

* * *

Es rauscht
im stillern Hain [8][…], trostentlaubt
auf dunklen Herzenspfaden
der zagen Zweifel Nachtesschwinge. [9]der Zweifel zagen Nachtesschwinge

Es lauscht
vergeblich Hoffen,
für und für,
dem wehen Ruf aus trauter Ferne,
der hoffnungsfroh [10]windeseil an mich erginge… [11]die lebensmatte Brust durchpfeilt

* * *

Und über mir
Selenes mondnes Haupt,
wo stumm der silbern Sichelmund
im wolken Feierkleide weilt. [12]im wolken Feierkleid verweilt

Nur ihrer Augensterne Liedchoral,
tönt lächelnd mild
mir schimmertrunken [13]tönetrunken nieder,
und träuft [14]träumt in meines Anlitz’ Nachtesweiher
aufs dämmerschweigende Gefild.

Vom gleisen Niedergange
lichter Quelle himmlisch Lauten,
schäumt meiner flauten Wange
die flüsternd Welle
und träumt im leisen Wogenklange, [15]Wogengange
enthoben [16]erlöset / zerstoben nun der nied’ren Qual nun von nied’rer Qual.

→ zu Mnemosynes Geleit
Pygmalions Werkstatt

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31 
 Juli 
 
2017

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Orpheus und Eurydike

 
Musik
Wolfgang Amadeus Mozart [1]Divertimento, KV 125c


[ Bemerkung zum Text ] [2] Ich distanziere mich explit zu Bezügen aus meinem privaten Umfeld, die rein zufällig wären und der Text darüberhinaus dem Jahre 2001(?) entstammt. Lediglich die Verortung im Gedichtezyklus “Mnemosynes Geleit” war angedacht.
 
Der Götter zweierlei Wohnstätte

 
Eurydike
schmeichelnd
Lorbeerduftes Sängerhaupt,
wohl windet lieblich dir Apoll
in königskrönender Manier
grünzart schmückend den Siegeskranz.

Orpheus
zärtlich erwidernd
Gleichfalls jedoch streut Flora
blühend mit liebender Hand
ins untadlig Gemüte dir
knospenquell erstand’ne Blumenzier.

Oh schöne Seele,
vom taugenährten Lippensaum
träuft [3]rinnt dir liebwallend [4]liebschallend Göttertrank
als kristallner Perlenzauber.

Eurydike
geschmeichelt
Musenentsandter,
Beseelter auf irdischem Kreise,
wie mundet köstlich mir dein Wonnetrunk,
die holden Worte süßer Traube,
weil Bacchus’ rege Winzerhand doch selbst
den Weinstock sorgend dir gepflanzt,
am Bergeshange des Olymp
in Ceres’ fruchtbarestem Schoße
sanft mit mütterlicher Acht gesenkt,
wo sein goldnes Füllhorn Helios
sich lichtesschwemmend weit ergießt
und reinster Himmelsäther wolkt.

Orpheus
einstimmend
Wo freie Wurzeln
sprossend mit Lustempfinden schlagen,
munter ins Erdreich tief sich wagen,
wo heit’res Purzeln
von scharigen Blütenpollen
entlegene Pfade erspüren wollen,
labt munter sich des Haines Wild
im gleisen Dämmertaugefild’
am schilfbewachs’nen Weiher.

Dort, oh Kind der süßen Triebe,
entschwebet deinem Lotusmund
als zarter Morgenschleier
der wahren Schönheit Nebeldunst.

Eurydike
mit einem Lächeln belehrend
Drum, erhab’ne Denkerstirn,
verschmäh’ das Zartgemüte [5]Herzensbildung nicht,
dem du auf sphärischem Geleis
im Geistesfluge kühn entschwebst!

Gleichwie der Huf des Pegasus‘
des Dichters brausen Geisterguss
entfesselnd aus dem Fels entlässt
und sprenget das steinerne Mieder,
so rauscht in Artemis’ Garten
auch mir mein Wunderquell.

Orpheus
zuflüsternd
Fürwahr,
gemählich ziehen unser beider Ströme
durchs Paradies der einen Brust
und einen sich im Ozeane
ewiger Wonnestunden.
→ zu Mnemosynes Geleit
Morpheus’ Schoß

Fußnoten[+]