Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 August 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Wanderschaft (2:03)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muss ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.

Vom Wasser haben wirs gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.

O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Lasst mich in Frieden weiterziehn,
Und wandern!

 

 
Ungeduld (2:50)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Ich schnitt es gern in alle Rinden ein.
Ich grüb es gern in jeden Kieselstein.
Ich möcht es säen auf jedes frische Beet
Mit Kressesamen, der es schnell verrät.
Auf jeden weißen Zettel möcht ichs schreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.

Ich möcht mir ziehen einen jungen Star,
Bis dass er spräch mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem, heißem Drang,
Damit er’s säng durch ihrer Fenster Scheiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben,

Ich meint, es müsst in meinen Augen stehn.
Auf meinen Wangen müßt man’s brennen sehn.
Zu lesen wärs auf meinem stummen Mund.
Ein jeder Atemzug gäbs laut ihr kund.
Und sie merkt nichts von all dem bangen Treiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!

 

 
Mein! (4:12)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Bächlein, lass dein Rauschen sein!
Räder, stellt euer Brausen ein!
All ihr muntern Waldvöglein,
Groß und klein,
Endet eure Melodein!
Durch den Hain
Aus und ein
Schalle heut ein Reim allein:
Die geliebte Müllerin ist mein!
Mein!
Frühling, sind das alle deine Blümelein?
Sonne, hast du keinen hellern Schein?
Ach, so müsst ich ganz allein,
Mit dem selgen Worte mein,
Unverstanden in der weiten Schöpfung sein?

 

 
Gute Nacht (5:18)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh –
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.
Was soll ich länger weilen,
Bis man mich treibt hinaus?
Die Liebe liebt das Wandern,
Gott hat sie so gemacht –
Von einem zu dem andern –
Feins Liebchen, gute Nacht.

 

 
Lindenbaum (6:06)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum.
Ich träumt in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort.
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort.
Ich mußt vorbei heut wandern
An ihm in tiefer Nacht.
Da hab ich noch im Dunkeln
Die Augen zugemacht.
Doch seine Zweige rauschten,
Als riefen sie mir zu:
»Komm her zu mir Geselle,
Hier findst du deine Ruh!«
Die kalten Winde bliesen
Mir grad ins Angesicht.
Der Hut flog mir vom Kopfe.
Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
Entfernt von jenem Ort.
Doch immer hör ichs rauschen:
»Du fändest Ruhe dort!«

 

 
Hellas und die Welt (7:50)
Wilhelm Müller (1794 – 1827)

Ohne die Freiheit, was wärest du Hellas?
Ohne dich, Hellas, was wäre die Welt?

Kommt, ihr Völker aller Zonen!
Seht die Brüste, die euch säugten,
Mit der reinen Milch der Weisheit!
Seht die Flamme,
Die euch wärmte
Durch und durch im tiefen Busen,
Dass ihr fühlet,
Wer ihr seid,
Was ihr wollt,
Was ihr sollt,
Eurer Menschheit hoher Adel,
Eure Freiheit!

Wollt ihr, das man sie ersticke?
Kommt, ihr Völker aller Zonen!
Kommt und helfet frei sie machen,
Die euch alle frei gemacht!

Ohne die Freiheit, was wärest du, Hellas?
Ohne dich, Hellas, was wäre die Welt?

 
 
29 
 Mai 
 
2012

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Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düster hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt,
Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.

Dichtung Georg Trakl
Vertonung Literaturtoene
Bereitstellung Literaturtoene

 
 
12 
 Mai 
 
2012

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Täglich stehst du mir steil vor dem Herzen,
Gebirge, Gestein,
Wildnis, Un-weg: Gott, in dem ich allein
steige und falle und irre…, täglich in mein
gestern Gegangenes wieder hinein
kreisend.
Weisend greift mich manchmal am Kreuzweg der Wind,
wirft mich hin, wo ein Pfad beginnt,
oder es trinkt mich ein Weg im Stillen.
Aber dein unbewältigter Willen
zieht die Pfade zusamm wie Alaun,
bis sie, als alte haltlose Rillen,
sich verlieren ins Abgrundsgraun …

Laß mich, laß mich, die Augen geschlossen,
wie mit verschluckten Augen, laß
mich, den Rücken an den Kolossen,
warten, an deinem Rande, daß
dieser Schwindel, mit dem ich verrinne
meine hingerissenen Sinne
wieder an ihre Stelle legt.
Regt sich denn Alles in mir? Ist kein Festes,
das bestünde auf seines Gewichts
Anrecht? Mein Bangestes und mein Bestes …
Und der Wirbel nimmt es wie nichts
mit in die Tiefen …

Gesicht, mein Gesicht:
wessen bist du? für was für Dinge
bist du Gesicht?
Wie kannst du Gesicht sein für so ein Innen,
drin sich immerfort das Beginnen
mit dem Zerfließen zu etwas ballt.
Hat der Wald ein Gesicht?
Steht der Berge Basalt
gesichtslos nicht da?
Hebt sich das Meer
nicht ohne Gesicht
aus dem Meergrund her?
Spiegelt sich nicht der Himmel drin,
ohne Stirn, ohne Mund, ohne Kinn?

Kommen einem die Tiere nicht
manchmal, als bäten sie: nimm mein Gesicht?
Ihr Gesicht ist ihnen zu schwer,
und sie halten mit ihm ihr klein-
wenig Seele zu weit hinein
ins Leben. Und wir?
Tiere der Seele, verstört
von allem in uns, noch nicht
fertig zu nichts, wir weidenden
Seelen,
flehen wir zu dem Bescheidenden
nächtens nicht um das Nicht-Gesicht,
das zu unserm Dunkel gehört?

Mein Dunkel, mein Dunkel, da steh ich mit dir,
und alles geht draußen vorbei;
und ich wollte, mir wüchse, wie einem Tier,
eine Stimme, ein einziger Schrei
für alles -. Denn was soll mir die Zahl
der Worte, die kommen und fliehn,
wenn ein Vogellaut, vieltausendmal,
geschrien und wieder geschrien,
ein winziges Herz so weit macht und eins
mit dem Herzen der Luft, mit dem Herzen des Hains
und so hell und so hörbar für Ihn ….:
der immer wieder, sooft es tagt,
aufsteigt: steilstes Gestein.
Und türm ich mein Herz auf mein Hirn und mein
Sehnen darauf und mein Einsamsein:
wie bleibt das klein,
weil Er es überragt.

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum