Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 Juli 
 
2018


 


Säule 21

Des Herzens Feuerschale
Der Tod der Lüste



Aus den Briefen Epiktets [1]fiktiv
an Lucius Flavius Arrianus [2]Zusammenfassung aus: “Handbüchlein der Moral”
Verlage: Ad Fontes, Reclam, Anaconda
Meditatio mortis [3] Lehre uns bedenken,
daß wir sterben müssen,
auf daß wir klug werden.
 
Psalm 90;12


Streust du den Spott, nährest wider dem Nächsten den Zorn?
Hegst Argwohn, gar bitter’ren Verdruss?
Oder schwillt die Begier
unermesslich nach Gütern, nach Gaben flüchtiger Freuden?

Wend’ deinen Sinn davon ab!
Lösche die schwelende Glut,
zehret mit Gram sie am alternden Herzen doch nur!
Lasse alle Widrigkeiten entfahr’n!

“Wie ist dies möglich?”, fragst du.

Alles was furchtbar erscheinen dir mag, führe stets nur vor Augen:
Willkür ird’scher Gewalt, auch der Verbannung Exil
trostloses Hoffen, des Krieges Wirren dumpfer Verzweiflung,
allen voran jedoch schaudernd den eigenen Tod!

Jenes Bildnis des Schreckens sei wahrer Lehrmeister dir, denn
erst in Betrachtung des Tods, mäßigt sich unbänd’ger Geist:
Zügelt das Walten grimmiger Zwietracht, weicht niedere Denkart,
schwindet alles Begehren, zähmt der Leidenschaft Flamm’!

So wirst du nie etwas maßlos begehren, an etwas Gemeines
auch denken: Wogend im Sturm trägt die Gelassenheit dich.
→ zu Mnemosynes Geleit
→ Zenons Wandelhalle
Die stoischen Siegessäulen

Fußnoten[+]

 
 
26 
 Mai 
 
2018


 


Säule 11

Des Herzens Feuerschale
Der Weise verliert nichts


Aus den Briefen Epiktets [1]fiktiv
an Lucius Flavius Arrianus [2]Zusammenfassung aus: “Handbüchlein der Moral”
Verlage: Ad Fontes, Reclam, Anaconda
Alles ist Leihgabe, himmlisches Pfand der gnädigen Götter,
welches beschieden dir ist, dir zur beschiedenen Zeit.
Klage drum nicht, du seist einer Sache verlustig geworden,
nahm dir der Geber doch nur, was er dir einst treu entlieh!

Sprich deshalb nicht, du hättest dein Weib, dein Kind gar verloren,
die auf irdischem Pfad liebend zur Hand dir gesellt.
Trauersang ehrt den Verlust, doch versagt er die Wiederkehr Liebster…
Sprich: “Was gegeben mir ward, geb’ ich nunmehr zurück!” [3]Der HERR hat’s gegeben,
der HERR hat’s genommen,
der Name des HERRN sei gelobt!


Oder dein Weinberg sei gestohlen, entwendet dir worden,
der an rühmlichem Hang heiter dir wog deinen Sinn.
“Aber es war doch ein nichtswürd’ger Schuft, der mit dreistem Verlangen
mir jenes Grundstück entriss!” [Dies auch gabst du nur zurück]

Doch was kümmert’es dich,
durch wen der Geber gedachte, sein Eigen zurück nun zu fordern?
Rechtest du mit dem Olymp um die [bisher] erwiesene Gunst?

Alles erachte [4]betrachte / behandle als fremdes Gut, zeitweilig dir zur Verfügung ge-
stellt [5]gereicht, zum zeitweiligen Besitz wie der Herberge Obdach dem Wanderer auch [6]der Leib als Herberge der Seele.
→ zu Mnemosynes Geleit
→ Zenons Wandelhalle
Die stoischen Siegessäulen

Fußnoten[+]

 
 
20 
 Mai 
 
2018

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