Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

22 
 April 
 
2016


 

DICHTUNG Friedrich Nietzsche
LESUNG Christian Brückner
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Ich finde, dass in diesem Gedicht die Möglichkeit erwogen wird, wieso ein Mensch hasst.
Meist ist es eben kein auflodernder Hass, sondern eher die aufstampfende Wut auf Fremdbestimmung, Einengung, “Gelebt-zu-Werden” anstatt selbstbestimmt und selbstwirksam zu handeln.
Hin und wieder ist es auch heilsam, die eigenen, “führenden” Zügel zu lösen, sich selbst zu “ver-führen” im Sinne freier Gedankenlust.

Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen.
Verhasst ist mirs schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
in holder Irrnis grüblerisch zu hocken,
von ferne her mich endlich heimzulocken,
mich selber zu mir selber – zu verführen.

 
 
15 
 September 
 
2015


 

DICHTUNG Johann Wolfgang von Goethe
LESUNG Jürgen Goslar
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud’ und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd’ ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuß
Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,
was so köstlich ist!
Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Haß verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

 
 
9 
 Mai 
 
2015


 

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein
 

Gedichte eines Lebendigen (Band 1) – Das Lied vom Hasse (1:44)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Bekämpft sie ohne Unterlass,
Die Tyrannei auf Erden.
Und heiliger wird unser Hass
Als unsre Liebe werden.

Bis unsre Hand in Asche stirbt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen.
Wir haben lang genug geliebt
Und wollen endlich hassen!

Aufruf (2:49)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle sollen Schwerter werden!
Gott im Himmel wirds verzeihn.
Lasst, o lasst das Verseschweißen!
Auf den Amboss legt das Eisen!
Heiland soll das Eisen sein.

Gott im Himmel wirds verzeihn.
Gen Tyrannen und Philister!
Auch das Schwert hat seine Priester,
Und wir wollen Priester sein!
Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle sollen Schwerter werden!

Aus der Schweiz (3:43)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Ich habe nun ein freies Land gefunden.
Doch nirgends sind auf Rosen wir gebettet,
Und ist mein Leib nicht eben angekettet,
Bleibt ewig mir die Seele doch ans Vaterland gebunden.
Gedichte eines Lebendigen (Band 1) – Leicht Gepäck (4:21)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Ich bin ein freier Mann und singe
Mich wohl in keines Fürsten Gunst.
Und alles, was ich mir erringe,
Ist Gottes lieber Himmelsdunst.

Ich habe keine stolze Feste,
Von der man Länder übersieht.
Ich wohn als Vogel nur im Neste.
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Gedichte eines Lebendigen (Band 1) – Wer ist frei? (5:01)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Der ist allein ein freier Mann,
Und seiner sei gedacht,
Der sie sich selbst verdienen kann,
Die Freiheit in der Schlacht.
An den König von Preußen (6:13)
Georg Herwegh (1817 – 1875)
Einst hat Graf Platen es gewagt,
Mit seinem Lied, als du noch Kronprinz warst,
Vor dich zu treten.
Du weißt noch, wie er unverzagt
Die Tyrannei bei dir verklagt
Und dich um deinen Schutz gebeten.
Um Schutz für jenes Polenland,
Das blutend vor dem Himmel stand
Und keine, keine Hilfe fand
Als die Verzweiflung des Poeten.

Lebt Platen noch, er würde heut
Dich aus dem süßen Schlummer stören.
Obwohl die Welt dir Weihrauch streut
Und jeden Siegerkranz dir beut,
Sein stolzes Haupt würd sich empören.
Er spräch dem falschen Jubel Hohn
Und nahte zornig deinem Thron.
Tot ist dein Vater. Du, der Sohn,
Der mächtig ist, du solltest auf ihn hören.

Doch Platen schläft am fernen Meer,
Und Polen ist durch uns verloren.
In Ehrfurcht tret ich zu dir her.
Wirf nach dem Dichter nicht den Speer,
Weil eine Hütte ihn geboren.
Weil er vor dir, dem Fürst, den Mut
Zu flehn hat für dein eigen Gut,
Zu flehen für dein eigen Blut,
Fürs deutsche Volk, dem du geschworen!

Das ratlos auseinander irrt,
Mein Volk soll dir entgegenflammen.
Steh auf und sprich: »Ich bin der Hirt,
Der eine Hirt, der eine Wirt,
Und Herz und Haupt, sie sind beisammen!«