Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 August 
 
2015


 

Im Gegensatz zur symbiotischen Vereinigung [sei es Sadismus oder Masochismus] ist die reife Liebe eine Vereinigung, bei der die eigene Integrität und Individualität bewahrt bleibt. [1]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Liebe als Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz.
S.33.

In der [wahren] Liebe kommt es zu dem Paradoxon, dass zwei Wesen eins werden und trotzdem zwei bleiben. [2]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Liebe als Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz.
S.34.

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Anna Maria Mühe
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Es ist nicht unsere Aufgabe,
einander näher zu kommen,
so wenig wie Sonne und Mond zueinander kommen,
oder Meer und Land.

Unser Ziel ist,
einander zu erkennen
und einer im anderen
das zu sehen und ehren zu lernen, was er ist:
des anderen Gegenstück und Ergänzung.

Fußnoten[+]

 
 
3 
 September 
 
2012


 

Der Herbst streut weiße Nebel aus,
Es kann nicht immer Sommer sein!
Der Abend lockt mit Lampenschein
Mich aus der Kühle früh ins Haus.

Bald stehen Baum und Garten leer,
Dann glüht nur noch der wilde Wein
Ums Haus, und bald verglüht auch der,
Es kann nicht immer Sommer sein.

Was mich zur Jugendzeit erfreut,
Es hat den alten frohen Schein
Nicht mehr und freut mich nimmer heut –
Es kann nicht immer Sommer sein.

O Liebe, wundersame Glut,
Die durch der Jahre Lust und Mühn
Mir immer hat gebrannt im Blut –
O Liebe, kannst auch du verglühn?

 

Textdichter Hermann Hesse
Lesung Ulrich Gebauer
Bereitstellung 59Berger

 
 
18 
 Juli 
 
2012


 

Daß das Schöne und Berückende
Nur ein Hauch und Schauer sei,
Daß das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Männerblick im Spiegelglase
Und viel andre wunderbare Sachen,
Daß sie, kaum entdeckt, vergehen,
Nur von Augenblickes Dauer,
Nur ein Duft und Windeswehen,
Ach, wir wissen es mit Trauer.
Und das Dauerhafte, Starre
Ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
Glänzendschwere Goldesbarre;
Selbst die Sterne, nicht zu zählen,
Bleiben fern und fremd, sie gleichen
Uns Vergänglichen nicht, erreichen
Nicht das Innerste der Seelen.

Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
Zugeneigt, stets nah am Sterben,
Und das Köstlichste: die Töne
Der Musik, die im Entstehen
Schon enteilen, schon vergehen,
Sind nur Wehen, Strömen, Jagen
Und umweht von leiser Trauer,
Denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
Lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
Schwindet schon und rinnt von dannen.

So ist unser Herz dem Flüchtigen,
Ist dem Fließenden, dem Leben
Treu und brüderlich ergeben,
Nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
Uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
Denen Tau am Blatt der Rose,
Denen eines Vogels Werben.
Eines Wolkenspielers Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweggeflogen,
Denen eines Lachens Läuten,
Das uns im Vorübergehen
Kaum gestreift, ein Fest bedeuten
Oder wehtun kann. Wir lieben,
Was uns gleich ist, und verstehen,
Was der Wind in Sand geschrieben.

 

Dichtung Hermann Hesse
Lesung Annett Louisan