Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 August 
 
2011


 

Fliederdüfte strömten übers Land,
Rosenregen schmückte zart das Band
geflochtenen Bundes.

Zögernd glitt des Jünglings scheues Fleh’n
bangen Flugs von steiler Lippe Höh’n
erbebenden Mundes.

Landend im willigen Herzensbezirk
strebt’ er frohlockend mit Jubel empor,
paradiesisch besonnen.
Denn sie willigte ein
bei Mondenschein.

Priesterrede
Die prangendsten säumenden Gärten
der Jugend bewanderte Fährten
sind wahrlich jene,
die Euch noch hochbetaget
im greisen Geiste duftend mild verharren.
Wahret die Grenzen des Reichs Eurer Liebe!
Tauscht nie das fürstliche Mahl festen Bundes
gegen das Linsengericht loser Liebschaft.
Es sei Euch
das Tau des sicheren Hafens heilig,
die Woge der lüsternen See Euch Fluch.

 
 
24 
 Juli 
 
2011


 

Innerhalb des großen Feldes der Metrik (Verslehre) existiert der Begriff des alternierenden Verses.
Auf den Unterschied zwischen quantifizierenden und akzentuierender Metrik möchte ich hier nicht eingehen.
Um es in aller Knappheit zu erklären:
Im Deutschen gibt es betonte und unbetonte Silben, lange und kurze Silben.
Abgesehen von Vorsilben (Präfixe) oder dergleichen liegt die Betonung bei deutschen Wörtern immer auf der ersten Silbe.
Beispiel: Wie-se, Blu-me, Kin-der, Frau-en, Fecht-kunst.

Nebenei erwähnt -und zur Verdeutlichung- wird im Französischen meist endbetont,
Beispiel: par-don, mer-ci, bud-get, des-sert.

Fügt man mehrere Wörter zu einem Satz zusammen, so kann man bei richtiger Wortwahl einen Wechsel von betonten und unbetonten Silben, eine Hebung und Senkung der Satzmelodie erreichen, was den alternierenden Vers bezeichnet.

Beispiel: “Das Weib ist ein gebrechlich Wesen” (aus: “Maria Stuart” von Friedrich Schiller)

 

Jetzt gibt es aber auch Wörter, die je nach Sprachrhythmus in ihrer Betonung unterschiedlich betont ausgesprochen werden können.

Beispiel: “Weihnachtsgeld”
Ein deutsches Wort, daher Betonung am Anfang: “Weih-nachts-geld”.
Es handelt sich hierbei sogar um einen Daktylus: betont-unbetont-unbetont.

Das gleiche Wort kann allerdings auch anders betont werden,
zum Beispiel innerhalb der jambischen Zeile (unbetont-betont-unbetont-betont-…):
“Das Weihnachtsgeld macht alle glücklich!”

Die Betonung eines Wortes bezieht sich also nicht nur auf seine ureigene Betonung, sondern ist abhängig vom Kontext, vom “sprachrhythmischen Zusammenhang”.

Interessant fände ich daher, einmal das Eheversprechen genauer zu betrachten.
Welcher Silbenrhytmus liegt eigentlich vor auf die an den Bräutigam gerichteten Frage:
Willst du Anna nun zu deiner anvertrauten Frau heut’ nehmen,
so sprech’ laut vor aller Ohren: “Ja, ich will !” ?

Antwortet der Bräutigam jetzt aus Überzeugung -an den Sprachfluss angelehnt- mit “Ja, ich will !” (nicht mit einer Echolalie [1]die Wiederholung vorgesagter Phrase zu verwechseln!) ?
JA und WILL wären betont, somit betonungskonform und würden auf metrischer Ebene den gefassten Entschluss zur Ehe geradezu untermauern und die Absicht eines lebenslangen Bundes suggerieren.

Vielleicht ist die Redeformel aber auch daktylisch (betont-unbetont-unbetont): “Ja, ich will!”?
WILL‘ bliebe also unbetont und könnte alsbaldige Scheidungsabsichten signalisieren.

Fußnoten[+]

 
 
17 
 März 
 
2008

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2

 

DICHTUNG Friedrich Schiller
LESUNG Oskar Werner
BEREITSTELLUNG Moselfrank1987


 

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, den Dolch im Gewande:
Ihn schlugen die Häscher in Bande,
“Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!”
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
“Die Stadt vom Tyrannen befreien!”
“Das sollst du am Kreuze bereuen.”
“Ich bin”, spricht jener, “zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben:
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn’ ich, erwürgen.”

Da lächelt der König mit arger List
Und spricht nach kurzem Bedenken:
“Drei Tage will ich dir schenken;
Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
Eh’ du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlassen.”

Und er kommt zum Freunde: “Der König gebeut,
Daß ich am Kreuz mit dem Leben
Bezahle das frevelnde Streben.
Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
So bleib du dem König zum Pfande,
Bis ich komme zu lösen die Bande.”

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
Und liefert sich aus dem Tyrannen;
Der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
Eilt heim mit sorgender Seele,
Damit er die Frist nicht verfehle.

Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brücke der Strudel herab,
Und donnernd sprengen die Wogen
Des Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
Wie weit er auch spähet und blicket
Und die Stimme, die rufende, schicket.
Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
“O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne, und wenn sie niedergeht
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen.”

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde ertrinnet.
Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
Und wirft sich hinein in die brausende Flut
Und teilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da stürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
Und hemmet des Wanderers Eile
Mit drohend geschwungener Keule.

“Was wollt ihr?” ruft er vor Schrecken bleich,
“Ich habe nichts als mein Leben,
Das muß ich dem Könige geben!”
Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
“Um des Freundes willen erbarmet euch!”
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,
Und von der unendlichen Mühe
Ermattet sinken die Kniee.
“O hast du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
Und soll hier verschmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende, sterben!”

Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
Und stille hält er, zu lauschen;
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten;
Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
Da hört er die Worte sie sagen:
“Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.”

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
Ihn jagen der Sorge Qualen;
Da schimmern in Abendrots Strahlen
Von ferne die Zinnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philostratus,
Des Hauses redlicher Hüter,
Der erkennet entsetzt den Gebieter:

“Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben.
Von Stunde zu Stunde gewartet’ er
Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
Ihm konnte den mutigen Glauben
Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.”

“Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
Ein Retter, willkommen erscheinen,
So soll mich der Tod ihm vereinen.
Des rühme der blut’ge Tyrann sich nicht,
Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
Er schlachte der Opfer zweie
Und glaube an Liebe und Treue!”

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
Das die Menge gaffend umstehet;
An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:
“Mich, Henker”, ruft er, “erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!”

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
In den Armen liegen sich beide
Und weinen vor Schmerzen und Freude.
Da sieht man kein Augen tränenleer,
Und zum Könige bringt man die Wundermär’;
Der fühlt ein menschliches Rühren,
Läßt schnell vor den Thron sie führen,

Und blicket sie lange verwundert an.
Drauf spricht er: “Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn –
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der dritte!”