Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 Juni 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

Ein Jüngling liebt ein Mädchen (0:42)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Ein Jüngling liebt ein Mädchen.
Die hat einen andern erwählt.
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.

Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen.
Der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte.
Doch bleibt sie immer neu.
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

 

 

»Wie angenehm verwundert war ich Anno 1819, als ich, ein ganz junger Mensch, die Universität Bonn besuchte und dort die Ehre hatte, den Herrn Dichter A. W. Schlegel, das poetische Genie, von Angesicht zu Angesicht zu sehen.
Noch heute fühle ich einen heiligen Schauer, der durch meine Seele zog, wenn ich vor seinem Katheder stand und ihn sprechen hörte. Ich trug damals einen weißen Flauschrock, eine rote Mütze, lange blonde Haare und keine Handschuhe.
Herr A. W. Schlegel trug aber Glacéhandschuhe und war ganz nach der neuesten Pariser Mode gekleidet. Er war die Zierlichkeit und die Eleganz selbst, und wenn er vom Großkanzler von England sprach, setzte er hinzu »mein Freund«.
Neben ihm stand sein Bedienter in der Schlegelschen Hauslivree und putzte die
Wachslichter, die auf silbernen Armleuchtern brannten und nebst einem Glase Zuckerwasser vor dem Wundermanne auf dem Katheder standen.
Livreebedienter! Wachslichter! Silberne Armleuchter! Mein Freund, der Großkanzler von England! Glacéhandschuhe! Zuckerwasser!
Welch unerhörte Dinge im Kollegium eines deutschen Professors!«

 

 

»Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem König von Hannover und enthält einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist.
Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh, welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläufig.
Auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben.«

 

 
Die Lorelei (4:52)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin.
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein.
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar.
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei.
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh.
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn.
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.

 

 
Wahrhaftig (aus:”Buch der Lieder”) (6:23)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,
Dann knospen und blühen die Blümlein auf.
Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,
Dann schwimmen die Sternlein hintendrein.
Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt. –
Doch Lieder und Sterne und Blümelein,
Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,
Wie sehr das Zeug auch gefällt,
So machts doch noch lang keine Welt.

 

 
Heimkehr (aus:”Buch der Lieder”) (7:50)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Der Wind zieht seine Hosen an,
Die weißen Wasserhosen!
Er peitscht die Wellen, so stark er kann,
Die heulen und brausen und tosen.
Aus dunkler Höh, mit wilder Macht,
Die Regengüsse träufen.
Es ist, als wollt die alte Nacht
Das alte Meer ersäufen.

___________

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein, sein Sie munter!
Das ist ein altes Stück.
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

 
 
3 
 Juni 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

Wenn ich an deinem Hause (0:07)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Wenn ich an deinem Hause
Des Morgens vorüber geh,
So freuts mich, du liebe Kleine,
Wenn ich dich am Fenster seh.

Mit deinen schwarzbraunen Augen
Siehst du mich forschend an:
»Wer bist du, und was fehlt dir,
Du fremder, kranker Mann?«

»Ich bin ein deutscher Dichter,
Bekannt im deutschen Land.
Nennt man die besten Namen,
So wird auch der meine genannt.

Und was mir fehlt du Kleine,
Fehlt manchem im deutschen Land.
Nennt man die schlimmsten Schmerzen,
So wird auch der meine genannt.«

 

 
Wenn ich an deinem Hause (0:07)
Heinrich Heine (1797 – 1856)

[Auszug]
Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.

Kling hinaus, bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich lass sie grüßen.
___________

Hör ich das Liedchen klingen,
Das einst die Liebste sang,
So will mir die Brust zerspringen
Vor wildem Schmerzensdrang.

Es treibt mich ein dunkles Sehnen
Hinauf zur Waldeshöh.
Dort löst sich auf in Tränen
Mein übergroßes Weh.
___________

Ich hab im Traum geweinet.
Mir träumte, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Träne
Floss noch von der Wange herab.

Ich hab im Traum geweinet.
Mir träumt, du verließest mich.
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.

Ich hab im Traum geweinet.
Mir träumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Strömt meine Tränenflut.
___________

Aus meinen Tränen sprießen
Viel blühende Blumen hervor,
Und meine Seufzer werden
Ein Nachtigallenchor.

Und wenn du mich lieb hast, Kindchen,
Schenk ich dir die Blumen all,
Und vor deinem Fenster soll klingen
Das Lied der Nachtigall.
___________

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.
___________

Du bist wie eine Blume,
So hold und schön und rein.
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, dass Gott dich erhalte,
So rein und schön und hold.
___________

Ich wollte, meine Lieder
Das wären Blümelein:
Ich schickte sie zu riechen
Der Herzallerliebsten mein.

Ich wollte, meine Lieder
Das wären Küsse fein:
Ich schickt sie heimlich alle
Nach Liebchens Wängelein.

Ich wollte, meine Lieder
Das wären Erbsen klein:
Ich kocht eine Erbsensuppe,
Die sollte köstlich sein.
___________

Himmlisch wars, wenn ich bezwang
Meine sündige Begier.
Aber wenns mir nicht gelang,
Hatt ich doch ein groß Pläsier.
___________

Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt, ich trüg es nie.
Und ich hab es doch getragen –
Aber fragt mich nur nicht, wie?
___________

Teurer Freund! Was soll es nützen,
Stets das alte Lied zu leiern?
Willst du ewig brütend sitzen
Auf den alten Liebes-Eiern?

Ach! das ist ein ewig Gattern,
Aus den Schalen kriechen Küchlein,
Und sie piepsen und sie flattern,
Und du sperrst sie in ein Büchlein.

 
 
10 
 April 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Der Schatzgräber (0:51)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Doch ich sah ein Licht von weitem,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten:
Heller wards mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze.
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken.
Und ich dacht: es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens:
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

 

 
Der Edelknabe und die Müllerin (3:30)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

»Wohin? Wohin?
Schöne Müllerin!
Wie heißt du?«

»Liese.«

»Wohin denn? Wohin?
Mit dem Rechen in der Hand?«

»Auf des Vaters Land,
Auf des Vaters Wiese.«

»Und gehst so allein?«

»Das Heu soll herein,
Das bedeutet der Rechen.
Und im Garten
Fangen die Birnen zu reifen an,
Die will ich brechen.«
»Ist nicht eine stille Laube dabei?«

»Sogar ihrer zwei,
An beiden Ecken.«

»Ich komme dir nach,
Und am heißen Mittag
Wollen wir uns drein verstecken,
Nicht wahr, im grünen vertraulichen Haus …«

»Das gäbe Geschichten!«

»Ruhst du in meinen Armen aus?«

»Mitnichten!«

 

 
Der Zauberlehrling (5:02)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.

Walle! Walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke …

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen.
Bist schon lange Knecht gewesen.
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe!
Oben sei ein Kopf!
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf! –

Walle! Walle
Manche Strecke,
Dass zum Zwecke
Wasser fließe
Und mit reichem, vollen Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Seht! er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Stehe! Stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! – –
Ach, ich merk es! Wehe! Wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
Kann ichs lassen.
Will dich fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch endlich still!

Willst am Ende
Gar nicht lassen? Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten!

Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!

Wehe! Wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Nass und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Aah! da oben kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.

»In die Ecke
Besen! Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu diesem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«