Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

20 
 März 
 
2021


 

Marcus Aurelius - Marc Aurel - Mark Aurel

Mark Aurel
 

Von Alexander aus Phrygien, Lehrer im Fach der Grammatik,
sah ich, dass er mit Schonung gegen jedermann nur ver-
fuhr, denn er machte niemals beleidigend eine Bemerkung
bei einem fremdartig oder gar sprachwidrig erscheinenden Ausdruck
wegen oder wenn sonst jemand fehlerhaft sprach; hier nun nannte
einfach den richtigen Ausdruck er, allerdings nicht in jener
klügeren Art korrigierend zu wirken, sondern als wäre
dieser auch noch so falsch geratene Ausdruck nun Antwort
oder Bestätigung gar, untersuchend nicht etwa das Wort, das
schmählich missratene, sondern die fragliche Sache, den Kern der
eigentlichen Thematik. Und oft verstand jener Lehrer
trefflich es auch, eine Peinlichkeit sprachlicher Unart zu kaschier’n,
wieder zum Thema zu finden und so etwaiges Gelächter
höhnender Menge zu meiden, mit themengelenktem Ausweg.
 
 
9 
 Januar 
 
2008

abgelegt in
Gedankenschau

 

Auf der Internet-Seite des Tübinger Literaturcafés findet sich folgender interessante Text, der sich gegen herrschende Strukturen des Literaturbetriebes richtet:

 

Für mich als Autor haben Lesungen immer auch ein Moment von Unmittelbarkeit und Basisdemokratie. Sie entfalten ihre Wirkkraft jenseits des etablierten Literaturbetriebes, jenseits der Macht von Verlagen, von Vertriebsstrukturen und großen Feuilletons. Und der »Schwarze Vorhang« steigert diese Unmittelbarkeit noch. Er ist eine Rückkehr zur Wirkmacht des reinen Wortes, ohne jede Extrinsik, frei von den üblichen Verfälschungen des Literarischen durch die Hoheit des Buchstaben B: das Berühmte, das Beeidete, das Beglaubigte, das Bewährte, das Bildhafte. “

Joachim Zelter

 

 
Jede Lesung, jedes Buch, damit also jeder Text unterliegt heute dem Zwang der Vorabinformation, der externen Beglaubigung, ohne die sich angeblich niemand mehr auf die Erfahrung von Sprache und Inhalt einlassen will.

Joachim Zelter hat es das »eng geschnürte Korsett von B’s« genannt – »das Bekannte, Beeidete, Beglaubigte, Bewährte, Begründete, Bedeutende, Bedeutete« –, das dem Text seine Wirkung schon verschafft, bevor ihn jemand gehört oder gelesen hat. Oder umgekehrt: Ohne dieses Korsett aus B’s, so will es der Betrieb, soll sich niemand mehr auf Texte einlassen. Erst muß der Hörer oder Leser wissen, und dann erst darf er erfahren … Und der »Konsument« glaubt folglich, daß es auch so sein müsse.

Das Konzept des Schwarzen Vorhangs versucht, diesen Mechanismus zu unterlaufen:

Völlig frei von Sekundärinformationen (Namen, Verlage, kurzgefaßte Inhalte, Einleitungen, Vorstellungsrunden, Aussehen, Kleidung und das ohnehin völlig unerhebliche Bekannt- oder eben Nichtbekanntsein) müssen sich unsere Besucher allein der Stimme und dem Text, den Worten, dem Inhalt hingeben; die Vorleserin, der Vorleser bleibt hinter dem Schwarzen Vorhang verborgen. Ob in renommierten Verlagen veröffentlicht oder in der Schublade gehütet: Alles ist möglich, entscheidend ist und bleibt der Text.

Für die Zuhörer bedeutet dies, daß sie sich in kürzester Zeit auf einen Text einstimmen müssen, ohne vorher zu wissen, ob sie Lyrik oder Prosa, Trauriges oder Lustiges, Erzählendes oder Sprachspiele hören werden. Das verlangt viel an Flexibilität und Aufmerksamkeit, ermöglicht aber eine völlig neue, unvorbelastete Rezeption. Auch für die Autorinnen und Autoren, das sei erwähnt, ist es eine große Herausforderung, keine reagierenden, lächelnden oder gelangweilten Gesichter vor sich zu sehen, sondern nur den schwarzen Stoff.

Wer gelesen hat, erfährt das Publikum erst am Ende der Veranstaltung, und auch das nicht immer.

Wir Veranstalter sind sehr darauf gespannt, wie dieses Experiment beim Publikum, aber auch bei den Autorinnen und Autoren ankommen wird.

Die Autorinnen und Autoren lesen ohne Honorar, als Geschenk an das Publikum.

Der Eintritt ist frei.