6 Mai 2017 | |
Quelle: MyEuro.info
Auch im digitalen Zeitalter sind analoge Gesten und sozial erwünschte Handlungsscripte nicht unbedingt Pflichtprogramme, dürfen nicht immer eingefordert werden! Sie sind allerdings nette Gesten.
Und es gibt (harte) Zeiten, in denen Gesten alles bedeuten.
8 Juli 2012 | |
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.
In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne zittert ein Geläute dünn,
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.
Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an,
Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an!
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.
Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.
Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.
In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein,
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.
Und mit tausend hohen Zipfelmützen weit
Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht,
Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht.
Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse, zackig in das Laub gekrallt,
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, dass das Feuer brause recht.
Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht,
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,
Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.
Textdichter | Georg Heym | |
Lesung | Samuel Weiss | |
Bereitstellung | wortlover |
7 April 2012 | |
Ich saz ûf eime steine | – | Ich saß auf einem Steine |
mittelhochdeutsch | – | heutiges Deutsch (frei) |
Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine, dar ûf satzte ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen mîn kinne und ein mîn wange. Dô dâhte ich mir vil ange, wie man zer werlte solte leben: Deheinen rât kond ich gegeben, wie man driu dinc erwurbe, der keinez niht verdurbe. Diu zwei sind êre und varnde guot, daz dicke ein ander schaden tuot; das dritte ist gotes hulde, der zweier übergulde. Die wolte ich gerne in einen schrîn. Jâ leider, des enmac niht sîn, daz guot und werltlîch êre und gotes hulde mêre zesamen in ein herze komen. Stîge unde wege sint in benomen: untriuwe ist in der sâze, gewalt vert ûf der strâze, fride unde reht sint sêre wunt. Diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt. | Ich saß auf einem Steine und deckte Bein mit Beine. Darauf der Ellbogen stand; es schmiegte sich in meine Hand das Kinn und eine Wange. Da dachte ich sorglich lange, dem Weltlauf nach und irdischem Heil, doch wurde mir kein Rat zuteil: wie man drei Ding erwürbe, dass ihrer keins verdürbe. Zwei Ding sind Ehr und zeitlich Gut, das oft einanander Schaden tut, das Dritte Gottes Segen, den beiden überlegen: Die hätt ich gern in einem Schrein doch mag es leider nimmer sein, dass Gottes Gnade kehre mit Reichtum und mt Ehre zusammen ei ins gleiche Herz; sie finden Hemmungen allerwärts: Untreue liegt im Hinterhalt, kein Weg ist sicher vor Gewalt, so Fried als Recht sind todeswund, und werden die nicht erst gesund, wird den drei Dingen kein Geleite kund. |
Textdichter | Walther von der Vogelweide | |
Lesung | Hans Hegner | |
Bereitstellung | wortlover |