Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 August 
 
2011


 

Der Götter zweierlei Wohnstätte
 
Lorbeerduftes Dichterhaupt,
wohl windet lieblich dir Apollon
in königskrönender Manier
grünzart schmückend den Siegeskranz.

Gleichfalls jedoch streut Flora
blühend mit liebender Hand
ins untadlige Kindsgemüt
knospenquell erstand’ne Blumenzier.

Oh kindliche Seele,
vom taugenährten Lippensaum
rinnt dir ambrosisch Göttertrank
als kristallner Perlenzauber.

Musenentsandter,
Beseelter auf irdischem Kreise,
köstlich mundet dein Wonnetrunk,
die holde Rede praller Rebe,
weil Bacchus rege Winzerhand doch selbst
am Bergeshange des Olymp
den dürren Weinstock sorgend dir gepflanzt
in Demeters fruchtbarestem Schoße
sanft mit mütterlicher Acht gesenkt,
wo sein goldnes Füllhorn Helios
sich lichtesschwemmend weit ergießt
und reinster Himmelsäther wolkt.

Wo freie Wurzeln
keimend mit Lustempfinden schlagen,
munter ins Erdreich tief sich wagen,
wo heit’res Purzeln
von scharigen streunenden Blütenpollen
entlegene Fährten erspüren wollen,
labt munter sich des Haines Wild
im gleisen Morgentaugefild’
am schilfbewachs’nen Weiher.

Dort, oh Kind der jungen Triebe,
entschwebet deinem Lotusmund
als zarter Jungfernschleier
des Priestergeistes Nebeldunst.

Drum, erhab’ne Denkerstirn,
verschmäh’ den Kindesgeist doch nicht,
dem du auf sphärischem Geleis
im Geistesfluge kühn entschwebst.

So wie der Huf des Pegasus’
des Dichters brausen Geisterguss
entfesselnd aus dem Felsen schlägt
und sprenget das steinerne Mieder,
so sprudelt des Kindes Herzensborn
als Quell in Artemis Garten.

Beflügelt rauscht der Silberstrom
und schlängelt sich durchs ländliche Gefild.

 
 
23 
 November 
 
2007


 

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht!
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

Du liebes Kind, komm geh’ mit mir!
Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir,
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind,
In dürren Blättern säuselt der Wind.

Willst feiner Knabe du mit mir geh’n?
Meine Töchter sollen dich warten schön,
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort?
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

Ich lieb dich, mich reizt deine schöne Gestalt,
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an,
Erlkönig hat mir ein Leids getan.

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not,
In seinen Armen das Kind war tot.

 
 
17 
 Oktober 
 
2007


 

vorgelesen von Oskar Werner

 
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.