Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 Oktober 
 
2018

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DICHTUNG Georg Trakl
LESUNG Ulrich Matthes
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

 
 
4 
 März 
 
2018

abgelegt in
Gibran, Khalil

 

Weisheit von Khalil Gibran aus: “Der Prophet”


DICHTUNG Khalil Gibran
LESUNG Otto Sander
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK



Ein Landmann sagte: Sprich uns von der Arbeit.

Und er antwortet und sagte: Ihr arbeitet, um mit der Erde und der Seele der Erde Schritt zu halten. Denn müßig sein heißt, den Jahreszeiten fremd zu werden und auszuscheren aus dem Lauf des Lebens, das in Würde und stolzer Umgebung der Unendlichkeit entgegenschreitet. Wenn ihr arbeitet, seid ihr eine Flöte, durch deren Herz sich das Flüstern der Stunden in Musik verwandelt. Wer von euch wäre gern ein Rohr, stumm und still, wenn alles andere im Einklang singt?

Es ist euch immer gesagt worden, Arbeit sei ein Fluch und Mühsal ein Unglück. Aber ich sage euch, wenn ihr arbeitet, erfüllt ihr einen Teil des umfassendsten Traums der Erde, der euch bei der Geburt dieses Traums zugeteilt worden ist. Und wenn ihr Mühsal auf euch nehmt, liebt ihr das Leben wahrhaft, und das Leben durch Mühsal zu lieben, heißt mit dem innersten Geheimnis des Lebens vertraut zu sein. Aber wenn ihr in eurem Schmerz die Geburt ein Leid nennt und die Erhaltung des Fleisches einen Fluch, der euch auf die Stirn geschrieben steht, dann erwidere ich, dass nur der Schweiß auf eurer Stirn das wegwaschen wird, was geschrieben steht.

Es ist euch auch gesagt worden, das Leben sei Dunkelheit, und in eurer Erschöpfung gebt ihr wieder, was die Erschöpften sagten. Und ich sage, das Leben ist in der Tat Dunkelheit, wenn der Trieb fehlt, und aller Trieb ist blind, wenn das Wissen fehlt. Und alles Wissen ist vergeblich, wenn die Arbeit fehlt. Und alle Arbeit ist leer, wenn die Liebe fehlt. Und wenn ihr mit Liebe arbeitet, bindet ihr euch an euch selber und an einander und an Gott. Und was heißt, mit Liebe arbeiten?

Es heißt, das Tuch mit Fäden weben, die aus euren Herzen gezogen sind, als solle euer Geliebter dieses Tuch tragen. Es heißt, ein Haus mit Zuneigung bauen, als solle eure Geliebte in dem Haus wohnen. Es heißt, den Samen mit Zärtlichkeit säen und die Ernte mit Freude einbringen, als solle euer Geliebter die Frucht essen. Es heißt, allen Dingen, die ihr macht, einen Hauch eures Geistes einflößen. Und zu wissen, dass die selig Verstorbenen um euch stehen und zusehen.

Oft habe ich euch sagen hören, als sprächet ihr im Schlaf: “Der mit Marmor arbeitet und im Stein die Gestalt seiner Seele wiederfindet, ist edler als der, der den Boden pflügt. Und der den Regenbogen ergreift, um ihn auf einer Leinwand zum Ebenbild des Menschen zu machen, ist mehr als der, der die Sandalen für unsere Füße macht.” Aber ich sage nicht im Schlaf, sondern in der Überwachheit der Mittagsstunde, dass der Wind zu den riesigen Eichen nicht süßer spricht als zum geringsten aller Grashalme. Und der allein ist groß, der die Stimme des Windes in ein Lied verwandelt, das durch seine Liebe noch süßer wird.

Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe. Und wenn ihr nicht mit Liebe, sondern nur mit Widerwillen arbeiten könnt, lasst besser eure Arbeit und setzt euch ans Tor des Tempels und nehmt Almosen von denen, die mit Freude arbeiten. Denn wenn ihr mit Gleichgültigkeit Brot backt, backt ihr ein bitteres Brot, das nicht einmal den halben Hunger des Menschen stillt. Und wenn ihr die Trauben mit Widerwillen keltert, träufelt eure Abneigung ein Gift in den Wein. Und auch wenn ihr wie Engel singt und das Singen nicht liebt, macht ihr die Ohren der Menschen taub für die Stimmen des Tages und die Stimmen der Nacht.

 
 
3 
 Oktober 
 
2017


 

DICHTUNG Friedrich Hölderlin
LESUNG Christian Brückner


 

Die Sagen, die der Erde sich entfernen,
Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret,
Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen
Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret.

Die Bilder der Vergangenheit sind nicht verlassen
Von der Natur, als wie die Tag’ verblassen
Im hohen Sommer, kehrt der Herbst zur Erde nieder,
Der Geist der Schauer findet sich am Himmel wieder.

In kurzer Zeit hat vieles sich geendet,
Der Landmann, der am Pfluge sich gezeiget,
Er siehet, wie das Jahr sich frohem Ende neiget,
In solchen Bildern ist des Menschen Tag vollendet.

Der Erde Rund mit Felsen ausgezieret
Ist wie die Wolke nicht, die Abends sich verlieret,
Es zeiget sich mit einem goldnen Tage,
Und die Vollkommenheit ist ohne Klage.