Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

8 
 August 
 
2015


 

DICHTUNG Georg Trakl
LESUNG Oskar Werner
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Die bunten Bilder, die das Leben malt
Seh’ ich umdüstert nur von Dämmerungen,
Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,
Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.

Und da von jedem Ding die Maske fiel,
Seh’ ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,
Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,
Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.

Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.
Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,
Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,
Gezwungen, voll Verzweiflung – Langeweile!

 
 
2 
 Januar 
 
2013

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Mühsam, Erich
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Endlos gereckt, von Lampen bleich bewacht,
Die gilbenden gepfählten Schädeln gleichen,
Wächst einsam eine Straße in die Nacht.
Es stelzen Schatten. Meine Angst sieht Leichen,
Wie sie geräuschlos von den Dächern schrecken
Und hinter Riesenbäuchen sich verstecken,
Aus Hausfassaden wächsern aufgebläht.
Das Licht spritzt auf den Asphalt weiße Lachen.
Der Himmel gähnt mit bleiern grauem Rachen,
Aus dem ein Zahn bedrohlich niederspäht…
Die Füße fliehen ihrem eigenen Stampfen
Das Haar steigt auf. Die kalten Augen dampfen.

 

Dichtung Erich Mühsam
Lesung Ulrich Janeztki
Bereitstellung wortlover

 
 
20 
 Oktober 
 
2012


 

DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Ulrich Matthes


 

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt — wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich — Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual;
Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
Auf meine Brust — Gottlob! Sie weichen!

Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.