Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

5 
 April 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Aus den römischen Elegien (1:02)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

[…]
Mehr als ich ahndete schön, das Glück, es ist mir geworden.
Amor führte mich klug allen Palästen vorbei.
Ihm ist es lange bekannt, auch hab ich es selbst wohl erfahren,
Was ein goldenes Gemach hinter Tapeten verbirgt.
Nennet blind ihn und Knaben und ungezogen, ich kenne
Kluger Amor dich wohl, nimmer bestechlicher Gott!
Uns verführten sie nicht, die majestätischen Fassaden.
Eilig ging es vorbei, und niedere zierliche Pforte
Nahm den Führer zugleich, nahm den Verlangenden auf.
Alles verschafft er mir da, hilft alles und alles erhalten,
Streuet jeglichen Tag frischere Rosen mir auf.
Hab ich den Himmel nicht hier? – Was gibst du, schöne Borghese,
Nipotina, was gibst deinem Geliebten du mehr?
Tafel, Gesellschaft und Spiel und Oper und Bälle,
Amorn rauben sie oft nur die gelegenste Zeit.
Ekel bleibt mir Gezier und Putz, und hebet am Ende
Sich ein brokatener Rock nicht wie ein wollener auf?
Oder will sie bequem den Freund im Busen verbergen,
Wünscht er von alle dem Schmuck nicht schon behend sie befreit?
Müssen nicht jene Juwelen und Spitzen, Polster und Fischbein
alle zusammen herab, eh er die Liebliche fühlt?
Näher haben wir das! Schon fällt dein wollenes Kleidchen,
So wie der Freund es gelöst, faltig zum Boden hinab.
Eilig trägt er das Kind, in leichter linnener Hülle,
Wie es der Amme geziemt, scherzend aufs Lager hinan.
Ohne das seidene Gehäng und ohne gestickte Matratzen
Stehet es, zweien bequem, frei in dem weiten Gemach.
Nehme dann Jupiter mehr von seiner Juno, es lasse
Wohler sich, wenn er es kann, irgendein Sterblicher sein.
Uns ergötzen die Freuden des echten, nacketen Amors
Und des geschaukelten Bettes lieblich knarrender Ton.
[…]

 

 
Morgenklagen (4:30)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

O du loses, leidigliebes Mädchen
Sag mir an: womit hab ichs verschuldet,
Dass du mich auf diese Folter spannest,
Dass du dein gegeben Wort gebrochen?

Drucktest doch so freundlich gestern Abend
Mir die Hände, lispeltest so lieblich:
»Ja, ich komme, komme gegen Morgen
Ganz gewiss, mein Freund, auf deine Stube.«

Angelehnet ließ ich meine Türe.
Hatte wohl die Angeln erst geprüfet
Und mich recht gefreut, dass sie nicht knarrten.

Welche Nacht des Wartens ist vergangen!
Wacht ich doch und zählte jedes Viertel.
Schlief ich ein auf wenig Augenblicke,
War mein Herz beständig wach geblieben,
Weckte mich von meinem leisen Schlummer.

Ja, da segnet ich die Finsternisse,
Die so ruhig alles überdeckten,
Freute mich der allgemeinen Stille,
Horchte lauschend immer in die Stille,
Ob sich nicht ein Laut bewegen möchte.

»Hätte sie Gedanken, wie ich denke,
Hätte sie Gefühl, wie ich empfinde,
Würde sie den Morgen nicht erwarten,
Würde schon in dieser Stunde kommen.«

Hüpft ein Kätzchen oben übern Boden,
Knisterte das Mäuschen in der Ecke,
Regte sich, ich weiß nicht was, im Hause,
Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören,
Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören.

Und so lag ich lang und immer länger,
Und es fing der Tag schon an zu grauen,
Und es rauschte hier und rauschte dorten.

Ich saß aufgestemmt in meinem Bette,
Schaute nach der halberhellten Türe,
Ob sie sich nicht wohl bewegen möchte.
Angelehnet blieben beide Flügel
Auf den leisen Angeln ruhig hangen.

Und der Tag ward immer hell und heller.
Hört ich schon des Nachbars Türe gehen,
Der da Taglohn zu gewinnen eilet,
Hört ich bald darauf die Wagen rasseln,
War das Tor der Stadt nun auch eröffnet,
Und es regte sich der ganze Plunder
Des bewegten Marktes durcheinander.

Ward nun in dem Haus ein Gehn und Kommen
Auf und ab die Stiegen hin und wieder,
Knarrten Türen, klapperten die Tritte.
Doch ich konnte, wie vom schönen Leben,
Mich noch nicht von meiner Hoffnung scheiden.

Endlich als die ganz verhasste Sonne
Meine Fenster traf und meine Wände,
Sprang ich auf und eilte nach dem Garten,
Meinen heißen sehnsuchtsvollen Atem
Mit der kühlen Morgenluft zu mischen,
Dir vielleicht im Garten zu begegnen.
Und nun bist du weder in der Laube
Noch im hohen Lindengang zu finden.

 

 
Gefunden (7:16)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
»Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?«

Ich grubs mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ichs
Am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort.
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.

 
 
3 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Alter Samen artet leicht aus (0:10)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Das schwör ich dir, bei meinem hohen Namen,
Mein guter Klaus, ich bin aus altem Samen!
Das ist nicht gut, erwidert Klaus,
Oft artet alter Samen aus.

 

 
Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen (0:50)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zertreten darf dein Ross?

Wer bist du, Fürst, dass in mein Fleisch
Dein Freund, der Jagdhund, ungestraft
Darf Klaun und Zähne haun?

Wer bist du, dass, durch Saat und Forst,
Das Waldhorn deiner Jagd mich treibt,
Entkräftet, wie das Wild? –

Die Saat, die deine Jagd zertritt,
Was Pferd und Hund und du verfrisst,
Das alles Fürst, ist mein.

Du hast ja nicht, mit Egg und Pflug,
Den Erntetag durchschwitzt.
Mein ist der Fleiß, das Brot! –

Was? Du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus. Du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!

 

 
An die Menschengesichter (5:31)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Ich habe was Liebes, das hab ich so lieb.
Was kann ich, was kann ich dafür?
Drum sind mir die Menschengesichter nicht hold.
Doch spinn ich ja leider nicht Seide, noch Gold,
Ich spinne nur Herzeleid mir.

Auch mich hat was Liebes im Herzen so lieb.
Was kann es, was kanns für sein Herz?
Auch ihm sind die Menschengesichter nicht hold.
Auch spinnt es wie ich weder Seide noch Gold,
Es spinnt sich nur Elend und Schmerz.

Wir seufzen und sehnen, wir schmachten uns an.
Wir sehnen und seufzen uns krank.
Die Menschengesichter verargen auch das.
Verleumden uns, reden, ich weiß nicht was,
Und schmieden uns Fessel und Zwang.

Wir quälen euch Menschengesichter doch nicht.
Wir quälen ja nur uns allein.
Drum, Menschengesichter, wir bitten euch sehr,
Ach, lasst uns gewähren, und quält uns nicht mehr,
O lasst uns allein für uns sein!

 

 
Naturrecht (5:19)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Von Blum und Frucht, die die Natur erschafft,
Darf ich zur Lust, wie zum Bedürfnis, pflücken.
Ich darf getrost nach allem Schönen blicken,
Und atmen darf ich jedes Würzkrauts Kraft.

Ich darf die Traube, darf der Biene Saft,
Des Schafes Milch in meine Schale drücken.
Mir dient der Stier. Mir leiht das Ross den Rücken.
Der Seidenwurm spinnt Atlas mir und Taft.

Es darf das Lied der holden Nachtigallen
Mich, hingestreckt auf flaumenweichem Moos,
Wohl in den Schlaf, wohl aus dem Schlafe hallen.

Warum wehrt Menschensatzung mir denn bloß,
Voll Liebe in Augustes Wonneschoß,
Von Lust bezwungen, hinzufallen.

 
 
2 
 April 
 
2012


 

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!

 

Textdichter Eduard Mörike
Lesung Fritz Stavenhagen