Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Februar 
 
2012

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Zu Bacharach am Rheine,
Wohnt eine Zauberin,
Die war so schön und feine
Und riß viel Herzen hin,

Und machte viel zuschanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.

Der Bischof ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt,
Und mußte sie begnaden,
So schön war ihr’ Gestalt.

Er sprach zu ihr gerühret,
»Du arme Lore Lay.
Wer hat dich dann verführet
Zu böser Zauberei.«

»Herr Bischof laßt mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muß verderben
Der meine Augen sieht.

Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab,
O schickt mich in die Flammen,
O brechet mir den Stab.«

»Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay,
Ich müßte dann zerbrechen,
Mein eigen Herz entzwei.

Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt
Warum in deinen Flammen
Mein eignes Herz schon brennt.«

»Herr Bischof mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen
Für mich den lieben Gott,

Ich darf nicht länger leben,
Ich lieb’ kein Leben mehr
Den Tod sollt ihr mir geben,
Drum kam ich zu euch her.

Ein Mann hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von mir gezogen
Fort in ein andres Land.

Die Blicke sanft und wilde,
Die Wangen rot und weiß,
Die Worte still und milde,
Die sind mein Zauberkreis.

Ich selbst muß drin verderben,
Das Herz tut mir so weh,
Vor Jammer möcht’ ich sterben,
Wenn ich zum Spiegel seh’.

Drum laßt mein Recht mich finden,
Mich sterben, wie ein Christ,
Denn alles muß verschwinden
Weil er mir treulos ist.«

Drei Ritter ließ er holen:
»Bringt sie ins Kloster hin,
Geh Lore! Gott befohlen,
Sei dein berückter Sinn.

Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß.
Bereite dich auf Erden
Zum Tod mit Gottes Preis.«

Zum Kloster sie nun ritten
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.

»O Ritter laßt mich gehen,
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen,
Nach meines Buhlen Schloß,

Ich will noch einmal sehen
Wohl in den tiefen Rhein,
Und dann ins Kloster gehen,
Und Gottes Jungfrau sein.«

Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Sie klimmen in die Höhe,
Da tritt sie an den Rand,

Und sprach: »Willkomm, da wehet
Ein Segel auf dem Rhein,
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein.

Mein Herz wird mir so munter,
Er muß der Liebste sein.«
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.

Es fuhr mit Kreuz und Fahne
Das Schifflein an das Land,
Der Bischof saß im Kahne,
Sie hat ihn wohl erkannt.

Daß er das Schwert gelassen,
Dem Zauber zu entgehn,
Daß er zum Kreuz tät fassen,
Das konnt’ sie nicht verstehn.

Wer hat dies Lied gesungen
Ein Priester auf dem Rhein
Und immer hat’s geklungen,
Vom hohen Felsenstein

Lureley
Lureley
Lureley.

Als wären es meiner drei!

 

Textdichter Clemens Brentano
Lesung Anna Thalbach
Bereitstellung wortlover

 
 
18 
 Juli 
 
2005


 

Dir R.,

wahrer Wortlaut tut not, wenn in Zeiten waltender Gedankenflaute nur matt des Geistes Flügel schwingt, die sonst befleißte Schreiberhand schwer die Feder führt und ringend im Ausdruck sich reget.
Wenn selbst der Seele Freudeschall verstummt und Eiseskälte mir in bangem Busen wintert.
Sie wollen nicht tauen, die eisen Herzensquellen.

Treulos entflohn mir die Musengeister.
Alles um mich herum birgt nur der Schleier der Gleichgültigkeit, getaucht in fahles Einheitsgrau und jedes meiner kärglichen Träufelworte stirbt selbst auf der Lippe noch.
Ich kann – und darf der duften Redekunst entmachtet – NICHT schreiben, denn alles wär’ nur Blätterlaub vom abgedroschenen Blumenhain erlauchter Rosenworte, wär’ welker Worttand einst blühender Schöne.

Weder eines Herren Wink entbiete mir Geheiß, noch der Frauen lieblicher Zauber schlage mich in Liebesbanden, frei und rein soll sich die zagend Brust sich heben, fern dem wirren Lärmen einer feilen Welt entrückt, einer Welt, die Schauplatz einem schlechten Bühnenstücke gibt.

Allein in des Dichter’s seligem Schwärmen zu triumphieren ist mein höchst Begehr.

***

wahrer Wortlaut tut not, wenn in Zeiten waltender Gedankenflaute nur matt des Geistes Flügel schwingt, die sonst befleißte Schreiberhand schwer die Feder führt und zagend im Ausdrucke sich reget.
Wenn selbst der Seele Freudeschall verstummt, der dumpfen Gefühlskälte mit matter Kehl’ und faustgeballt ich wehren möchte.
Sie wollen nicht tauen, die eisen Herzensquellen, der Seelenfrost nicht verziehn, der mir in bangem Busen wintert.

Treulos entflohn mir die Musengeister, die einst steten Weggefährten … und sie scheinen dahin.

Alles um mich herum birgt nur der Schleier der Gleichgültigkeit getaucht in fahle Blässe und der wie von Blei bemantelte Blick stiert ins Leere.
Die lichtgetränkten vom Leben geschwängerten Frühlingswiesen, sie grünen nicht mir, und das heitre Gewölk am stahlblauen Himmel zieht meiner ungeachtet vorüber, meint auch nicht mich.
Alles erscheint mir oft so fremd, so belanglos, so NICHTIG.
Selbst der Liebschall einer Freundesrede vermag ich oft nicht zu erlauschen und jedes meiner kärglichen Träufelworte erliegt dem raubenden Dunst, stirbt auf der Lippe noch.

***

Drum kann und darf – der duften Redekunst entmachtet – ich NICHT schreiben, denn alles wär’ nur dürres Blütenlaub vom abgedroschenen Blumenhain erlauchter Rosenworte, wär’ welker Worttand einst blühender Schöne.

Oh, könnt’ ich nur sinnestaumeln in des Dichter’s seligem Schwärmen und kraftbefiedert zum reichbestirnten Firmamente streben, um derorts edle Sternenworte zu erhaschen.
Fürwahr, das wär’ mein höchst Begehr !
Denn weder eines Herren Gebot beuget sich mein Haupt, noch der Frauen lieblicher Zauber schlage mich in Liebesbanden, FREI allein soll sich die matte Brust mir heben, dem wirren Lärmen einer feilen Welt entrückt, einer Welt, die sich nur als Schauplatz eines schlechten Bühnenstückes gebärdet.

Auf eben diesen „Brettern der Welt“ ( Weltbühne ) tummelt sich allerlei eitles Menschengevölk :
wortgewandte Phrasendrescher, selbsterwählte Geistesgrößen, vermeintliche Lichtgestalten beredter Gelehrsamkeit, dem schnöden Mammon verfallene Lustwandler, … oh, wie sie mir zuwider sind, diese trampelnden Horden von heuchelnden Pharisäern, die so sehr den irdischen Wonnen zugeneigt und eigenbedacht mit ihren Talenten prunken.

***

Doch siehe, aus diesem Dickicht, aus diesem Gestrüpp selbstgefälliger Menschenfülle, entringt sich eine Blüte reiferer Vernunft, eine schöngeistige Blüte mit zartem Wurzelwerk.
Mildbeflammt vom Sonnenschein der Wahrheit erblühen ihre Farben, die Blätter, vom jugendlichen Geisteswind bewogt, weben reine Gedanken und der füllige Blumenkelch faßt mit Anteilnahme das Leid anderer mit wahrem Priestergeist.

Gewiß, ohn’ Fehl, hier offenbart sich – nebst Schönwuchs – der weibliche Blütenzauber Schimmerglanz, paart Prachtaufwand mit Edelsinne sich.

Nur äußerlicher Prachtaufwand, wahrlich des Himmels liebreizendes Geschenk, verschmäht mein Aug’, das nimmer sich sättigt an der Damenwelt blühender Heide, denn selbst Aphrodites Gestalt speist nur der lüsterne Blick und läßt den Schöngeist im Drang zum wahren Schönen darben.

Denn wahre Schönheit offenbart sich nur im edlern Geiste, im zarten Blütenstaub, der als duftende Entsendung zu seinen geistigen Heimatgründen windet, der Blüte vergänglicher Schöne schlicht entsagt und ihr entflieht.

Ja, ich spreche ihn heilig, der Erde Grund, in dem Blume Samen keimte und früh schon seine feinen Wurzeln schlug, aus kühlem Erdreich in einsten Kindestagen doch empor sich rang zur vollen Reife.

Heil Dir, Flora, für den spendenden Schoß fruchtbarer Erde und Dir Helios sei’s gedankt für die milde Flut lichter Segensgabe, die erst der Knospe Riegel brechen ließ.

Vergangner Krankheit rauer Stürme Heer vermochte die ranke Blume wohl zu beugen, nicht aber zu brechen, gewann dadurch an Kraft- und Geistesfülle.
Edle Gesinnung senkte sich mit goldner Gravur in die kindbewahrten Herzenstafeln und der Seele Jubelklang singt im Weltenlärme sein eignes leises Lied paradiesischen Lautens.

Möge diese liebschallende Melodie, R., Dir nie verstummen, möge der zuweilen leidgehemmte Fuß auf Deinem Lebenspfad treu jener heiligen Spur gewollten Himmelsgeschickes folgen und sich nie beirren lassen.

Mit nunmehr endendem Federschwunge

Ralph

 
 
30 
 Juni 
 
1994


 

[Fragment]
Welch’ holde Maid ist mir erwiesen,
dort drüben auf der grünen Wiesen,
sie schauet mich so zierlich an,
und ziehet mich in ihren Bann,
aus dem ich nicht entfliehen kann.

Oh, freilich reizet ihre Statur,
es lieget ja in meiner Natur,
doch gilt es hier zu wiedersteh’n
dies schönem, weiblich’ Phänomen.

So hold der Liebestrank auch schmecket,
und glimme Sinneslust erwecket…
Lodernd steigt der Triebe Feuer,
stürmt des keuchen Herz Gemäuer,
knechtet mich in eisern Banden,
freier Wille muss zerschanden.

Drum’ kämpf ich dagegen aus Leibeskraft,
zu sprengen die Ketten der Leidenschaft,
doch all’ mein Hasten ohne Rasten,
mein Widerstreben zerschellt vergeben,
ich kann nicht widersteh’n der Macht,
die flammen Auges angefacht.

Gleich brennenden Pfeiles durchbohrt mich ihr Blick,
sodass ich vor Frohsinn nun freilich entzück’.
Schock, schwere Not, welch’ trüger Schein:
Ich fiel der Sklaverei anheim !