Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

4 
 Juni 
 
2012


 

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und ruft laut mit schäumendem Mund:

“Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!”

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Das kam’s hervor, wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtschar sass kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

 

Textdichter Heinrich Heine
Lesung Florian Friedrich

 
 
3 
 Januar 
 
2012


 


Abbildung aus Cantus Circaeus
von Giordano Bruno


 

Als Giordano Bruno seine Werke über die Gedächtniskunst schreibt und veröffentlicht, entwickelt er sich von der Philosophie weiter in Richtung Magie.

Frances Yates ging es bei ihren Studien darum, die Philosophie Brunos im hermetischen und magischen Kontext seiner Zeit neu zu betrachten. Sie hat gezeigt, dass die Symbole und Zeichen mit der Magie gleichgesetzt werden können, da der Mensch mit ihrer Hilfe die universelle Erkenntnis erlangen kann. Durch die Anwendung der Gedächtniskunst, die in der Renaissance unter den Intellektuellen sehr beliebt war, können Archetypen in das Bewußtsein aufgenommen werden.

Von Sonnenkult und Hermetismus stark beeinflusst lesen sich die ersten beiden Bücher, die Giordano Bruno der Gedächtniskunst gewidmet hat, wie eine Anleitung zum Aktivieren “aller Mächte der Seele”. “De Umbris Idearum” (Von den Schatten der Ideen) ist in Form eines Dialogs zwischen 3 Personen geschrieben: Hermes, Philothine und Logifer. Hermes ist in der magischen Kunst der offenbarten Bilder bewandert und gibt dieses Wissen an seine beiden Schüler weiter. Die Gedächtniskunst steht in direkter Verbindung zur Sonne, und so konzentriert sich das Buch auf das Thema der von Hermes Trismegistos gelehrten Sonnenmagie.

Es folgt ein mytischer Katalog mit 150 Bildern, auf denen das magische System des Gedächtnisses aufbaut. Der Einfluss durch das Werk “De occulta philosophia” von Corneille Agrippa ist deutlich spürbar. Anschließend zeigt das Buch die Bilder der 36 Dekane: die Bilder der 7 Planeten sowie die 28 Bilder der Mondstände, ergänzt durch das Bild des Draco Lunae.

So findet sich beispielsweise folgende Beschreibung zum ersten Bild des Saturn: “Ein Mann mit dem Kopf eines Hirsches auf einem Drachen mit einer Eule in seiner rechten Hand, die eine Schlange verschlingt”.

Das Cantus Circaeus (Gesang der Kirke) bleibt dieser Richtung treu und präsentiert Kirke, Tochter der Sonne, als Magierin, wie sie ausführlich Planetenbeschwörungen rezitiert.

Auf den ersten Seiten ist eine Zusammenfassung aller Namen der Sonne und ihrer Attribute sowie der Pflanzen und Tiere zu lesen, die der Sonne zugeordnet sind und deren Mächte es dem Magier erlauben, die Sonnenseele auf sich zu konzentrieren. Kirke wiederholt ihre Formeln für jede einzelne Planetenmacht: Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur.
Bruno erweist sich als Meister in der Kunst der Erfindung von Systemen magischer und talismanischer Bilder. Wie schon Frances Yates gezeigt hat, ist die hermetische Ausrichtung seiner Schriften kaum zu übersehen. Die von Bruno verwendeten Bilder werden nicht mehr im christlichen Sinne interpretiert, sonders beziehen sich auf den ägyptischen Hermetismus, den der Philosoph über das Christentum stellt. Zwei Jahre später schreibt Bruno “Die Vertreibung der triumphierenden Bestie”, eine Verteidigungsschrift der magischen Religion der Ägypter und nach Meinung von Frances Yates, vom okkulten Asklepius inspiriert.

In der ersten 1591 veröffentlichten Schrift widmet sich Bruno erneut der magischen und astrologischen Gedächtniskunst. “De Imaginum, Signorum et Idearum compositione” enthält einen Planetenkatalog, der die Sonne und ihre Attribute in den Mittelpunkt stellt.

In diesem besonders sorgfältig ausgearbeiteten und mit den herkömmlichen Abbildungen der Planeten illustrierten letzten Werk beschreibt Bruno die Aufgliederung des Gedächtnisses in allen Einzelheiten. Sein hochentwickeltes Modell baut auf “12 Prinzipien” auf, denen z. T. sekundäre Prinzipien zugeordnet sind.

Jedem dieser Prinzipien entsprechen magische Bilder, in denen Bruno zahlreiche negative und positive Attribute sieht. Wie schon in “De Umbris Idearum” erscheint die Sonne als bindende Kraft und steht für Reichtum, Überfluss oder auch Fruchtbarkeit. Kirke ist auch hier eine mächtige Magierin, die ihre Kräfte weder zu eindeutig guten noch zu eindeutig schlechten Zwecken einsetzt.

Frances Yates erklärt, dass die hinter den Aspekten der Gedächtnistheorie zu erkennende Magie Brunos dem Eingeweihten erlaubt, sich die positiven Kräfte eines jeden Prinzips anzueignen, um sich in einen “Sonnen-, Jupiter- oder Venusmagier” zu verwandeln. Anders ausgedrückt werden mit seiner Gedächtniskunst Mittel und Wege aufgezeichnet, den Einfluss der Sterne auf sich zu ziehen, sich mit einer Macht zu identifizieren und sich dem Göttlichen zu nähern, um mit ihm zu verschmelzen.

Quelle: www.bruno-giordano.net