Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 Januar 
 
2012


 


Abbildung aus Cantus Circaeus
von Giordano Bruno


 

Als Giordano Bruno seine Werke über die Gedächtniskunst schreibt und veröffentlicht, entwickelt er sich von der Philosophie weiter in Richtung Magie.

Frances Yates ging es bei ihren Studien darum, die Philosophie Brunos im hermetischen und magischen Kontext seiner Zeit neu zu betrachten. Sie hat gezeigt, dass die Symbole und Zeichen mit der Magie gleichgesetzt werden können, da der Mensch mit ihrer Hilfe die universelle Erkenntnis erlangen kann. Durch die Anwendung der Gedächtniskunst, die in der Renaissance unter den Intellektuellen sehr beliebt war, können Archetypen in das Bewußtsein aufgenommen werden.

Von Sonnenkult und Hermetismus stark beeinflusst lesen sich die ersten beiden Bücher, die Giordano Bruno der Gedächtniskunst gewidmet hat, wie eine Anleitung zum Aktivieren “aller Mächte der Seele”. “De Umbris Idearum” (Von den Schatten der Ideen) ist in Form eines Dialogs zwischen 3 Personen geschrieben: Hermes, Philothine und Logifer. Hermes ist in der magischen Kunst der offenbarten Bilder bewandert und gibt dieses Wissen an seine beiden Schüler weiter. Die Gedächtniskunst steht in direkter Verbindung zur Sonne, und so konzentriert sich das Buch auf das Thema der von Hermes Trismegistos gelehrten Sonnenmagie.

Es folgt ein mytischer Katalog mit 150 Bildern, auf denen das magische System des Gedächtnisses aufbaut. Der Einfluss durch das Werk “De occulta philosophia” von Corneille Agrippa ist deutlich spürbar. Anschließend zeigt das Buch die Bilder der 36 Dekane: die Bilder der 7 Planeten sowie die 28 Bilder der Mondstände, ergänzt durch das Bild des Draco Lunae.

So findet sich beispielsweise folgende Beschreibung zum ersten Bild des Saturn: “Ein Mann mit dem Kopf eines Hirsches auf einem Drachen mit einer Eule in seiner rechten Hand, die eine Schlange verschlingt”.

Das Cantus Circaeus (Gesang der Kirke) bleibt dieser Richtung treu und präsentiert Kirke, Tochter der Sonne, als Magierin, wie sie ausführlich Planetenbeschwörungen rezitiert.

Auf den ersten Seiten ist eine Zusammenfassung aller Namen der Sonne und ihrer Attribute sowie der Pflanzen und Tiere zu lesen, die der Sonne zugeordnet sind und deren Mächte es dem Magier erlauben, die Sonnenseele auf sich zu konzentrieren. Kirke wiederholt ihre Formeln für jede einzelne Planetenmacht: Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur.
Bruno erweist sich als Meister in der Kunst der Erfindung von Systemen magischer und talismanischer Bilder. Wie schon Frances Yates gezeigt hat, ist die hermetische Ausrichtung seiner Schriften kaum zu übersehen. Die von Bruno verwendeten Bilder werden nicht mehr im christlichen Sinne interpretiert, sonders beziehen sich auf den ägyptischen Hermetismus, den der Philosoph über das Christentum stellt. Zwei Jahre später schreibt Bruno “Die Vertreibung der triumphierenden Bestie”, eine Verteidigungsschrift der magischen Religion der Ägypter und nach Meinung von Frances Yates, vom okkulten Asklepius inspiriert.

In der ersten 1591 veröffentlichten Schrift widmet sich Bruno erneut der magischen und astrologischen Gedächtniskunst. “De Imaginum, Signorum et Idearum compositione” enthält einen Planetenkatalog, der die Sonne und ihre Attribute in den Mittelpunkt stellt.

In diesem besonders sorgfältig ausgearbeiteten und mit den herkömmlichen Abbildungen der Planeten illustrierten letzten Werk beschreibt Bruno die Aufgliederung des Gedächtnisses in allen Einzelheiten. Sein hochentwickeltes Modell baut auf “12 Prinzipien” auf, denen z. T. sekundäre Prinzipien zugeordnet sind.

Jedem dieser Prinzipien entsprechen magische Bilder, in denen Bruno zahlreiche negative und positive Attribute sieht. Wie schon in “De Umbris Idearum” erscheint die Sonne als bindende Kraft und steht für Reichtum, Überfluss oder auch Fruchtbarkeit. Kirke ist auch hier eine mächtige Magierin, die ihre Kräfte weder zu eindeutig guten noch zu eindeutig schlechten Zwecken einsetzt.

Frances Yates erklärt, dass die hinter den Aspekten der Gedächtnistheorie zu erkennende Magie Brunos dem Eingeweihten erlaubt, sich die positiven Kräfte eines jeden Prinzips anzueignen, um sich in einen “Sonnen-, Jupiter- oder Venusmagier” zu verwandeln. Anders ausgedrückt werden mit seiner Gedächtniskunst Mittel und Wege aufgezeichnet, den Einfluss der Sterne auf sich zu ziehen, sich mit einer Macht zu identifizieren und sich dem Göttlichen zu nähern, um mit ihm zu verschmelzen.

Quelle: www.bruno-giordano.net

 
 
1 
 Januar 
 
2001


 

Wähne Dich, Erdensohn, glücklich auf irdisch wandelndem Kreise.
Himmelan gipfeln die strebenden Bauten schaffender Hände,
thronest erhaben mit heroischem Lächeln und teilest mit waltendem Zepter,
du Schattengebild göttlicher Ideen.

Doch der Windstoß des eisernen Vogels streift mich nicht Wunder
Gewiß, ohn’ Fehl,
des eitlen Menschen kühner Geist
erdreist sich göttermessend meist
von unbändigem Schaffensdrang befleißt
lüstern mit dem Allmächtigen zu rangen.

Zähmt des Blitzes energischen Strahl,
beschifft der Welten wogende Meere
in pechversiegelter Holzesschale,
trotzt mit metallischem Gefieder
der Schwerkraft klammerndem Mieder,
durchmißt in des Weltalls unendlicher Leere,
der Planeten Gestirne kreisender Bahn –
deutend der großen Natur göttlichen Plan.

Mag sich dem Erdenbürger alles neigen,
selbst die Götterscharen treulos mir entfliehn,
auf ewig bleibt mir eine Gottheit eigen,
die nimmer des Menschen Karren werde ziehn …

… gleich Merkur’s steifgeword’ner Nacken,
der in des Halfter’s Banden würgendem Zwange
unter des Kaufmann’s schindendem Joche stöhnt,
den fliehenden Fuß umwunden vom Kettenstrange.

Soll Ares des Samson’s Eselsbacken
dem Kriegstyrannen dienlich weihn,
von Fortuna geadelt zum Siege gekrönt,
und den eitlen Erdentöchtern Venus
mit liebestollem Zauberkuß
rosige Wangen angedeihn.

Soll Neptun doch mit stetem Regenguß
wehren dem dürrewütenden Versiegen
munt’rer Wiesenquellen
und Helios’ Lächeln brüdernd sich gesellen
zu Ceres, die güld’nen Ähren streichend zu wiegen.

Nur Chronos,
die zählende Gottheit der rädernden Zeit
trotzt unbeugsam vom Anbeginn der Ewigkeit
dem fleischgewordenen Koloß.

Er wälzt der schwindenden Jahre Mühlenstein
mit Stieres Lenden und ehernem Gebein.

Beugt sich nun der hochberoßte Allmachtswahn
des Erdenstaub Erschaffenen,
wankt nun der götterbezwungende Eisenkahn
durch Gletscher’s Zahne raffenden
kenternden Geschickes,
die kühne Hoffnung sinken ließ
in ewige Nacht den Stahlkoloß
begraben hieß,
gebändigt durch Poseidon’s Troß
verschlingend in die Pranken schloß.

… Doch mein immerdar ruhender Vaterblick
neiget tränend sich und wacht
über der Völker herrschenden Nacht
mit allwaltendem Erdengeschick.