Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

7 
 Oktober 
 
2012


 

Da liegt man nun,
So nackt, wie man nur kann,
hat Seife in den Augen, welche stört,
und merkt, aufs Haar genau:
Man ist ein Mann.
Mit allem, was dazugehört.

Es scheint, die jungen Mädchen haben recht,
wenn sie – bevor sie die Gewohnheit packt
der Meinung sind, das männliche Geschlecht
sei kaum im Hemd erträglich. Und gar nackt!
Glücklicherweise steht’s in ihrer Hand,
das, was sie stört, erfolgreich zu verstecken.

So früh am Tag, und schon soviel Verstand!
Genug, mein Herr! Es gilt, sich auszustrecken.
Da liegt man, ohne Portemonnaie und Hemd
und hat am ganzen Leibe keine Taschen.
Ganz ohne Anzug wird der Mensch sich fremd…

Da träumt man nun, anstatt den Hals zu waschen.
Der nackte Mensch kennt keine Klassenfrage.
Man könnte, falls man Tinte hätte, schreiben:
“Ich kündige. Auf meine alten Tage will ich in meiner Badewanne bleiben”.
Da klingelt es. Das ist die Morgenzeitung.

Und weil man nicht,
was nach dem Tod kommt,
kennt, schreibt man am besten in sein Testament:
“Legt mir ins kühle Grab Warmwasserleitung!”

 

Textdichter Erich Kästner
Lesung Dieter Pfaff
Bereitstellung wortlover