Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

12 
 Mai 
 
2012


 

Aus “Dir zur Feier”

Wir lächeln leis im Abendwind,
wenn sich die Blumen schwankend küssen
und wenn die Vögel müde sind.
Weil wir nicht mit der Sonne müssen,
die breit auf flachen Abendflüssen
aus unsern Wiesentalen rinnt.

Wir bleiben, und wir sehn die Nacht
aufwachsen, weit und Wunder werden,
sehn Berge, Bilder und Gebärden
viel größer als wir je gedacht.
Sehn, was die Blüten nicht ertrügen,
was Vögel erst nach langen Flügen
erreichen würden, stellt sich nah
und was am Morgen schon erstarrt
in Stille ist und Gegenwart,
wir kannten es, als es geschah…

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
10 
 April 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 
Lenore (0:50)
Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen? –
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.

Der König und die Kaiserin,
Des langen Haderns müde,
Erweichten ihren harten Sinn,
Und machten endlich Friede.
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.

Und überall all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
Gottlob! rief Kind und Gattin laut,
Willkommen! manche frohe Braut.
Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.

Sie frug den Zug wohl auf und ab,
Und frug nach allen Namen.
Doch keiner war, der Kunde gab,
Von allen, die da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr schwarzes Haar
Und warf sich hin zur Erde,
Verzweifelt, was nun werde.

Lenore weinte und sie rang
Die Hände bis zum Untergang
Der Sonne. Bis am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Als sie schon schlief! gings trapp trapp trapp,
Als wie von Rosseshufen;
Und klirrend stieg ein Reiter ab,
An des Geländers Stufen.

Und horch! Es klirrt der Pfortenring
Ganz lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
Lenore, du, mach auf mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist du gegen mich gesinnt?
Sag, weinest oder lachst du? –

Ach, Wilhelm, du? – So spät bei Nacht? –
Geweinet hab ich und gewacht.
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du hergeritten? –
Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen.
Ich habe spät mich aufgemacht,
Und will dich mit mir nehmen. –

Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!
Den Baum und Strauch durchsaust der Wind,
Herein! In meinen Armen,
Herzliebster, sollst erwarmen! –
Lass sausen doch den Wind, den Sturm!
Lass sausen, Kind, lass sausen!
Der Rappe scharrt, zwölf schlägts vom Turm
Ich darf allhier nicht hausen.

Komm, schürze, spring und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Musst heut noch hundert Meilen
Mit mir ins Brautbett eilen. –
Was willst du hundert Meilen noch
Mich heut ins Brautbett tragen?
Still, Liebste! Horch, die Glock brummt noch,
Die zwölf schon angeschlagen.

Lenore, sieh! der Mond scheint hell.
Wir und die Toten reiten schnell.
Ich bringe dich, was Wette,
Noch heut ins Hochzeitsbette.
Sag an, wo ist dein Kämmerlein?
Wo? Wie dein Hochzeitbettchen? –
Weit, weit von hier! – Still, kühl und klein! –
Sechs Bretter und zwei Brettchen! –

Hats Raum für mich? – Für dich und mich!
Komm, schürze, spring und schwinge dich!
Die Hochzeitgäste hoffen.
Die Kammer steht uns offen. –
Lenore schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Ross behende.
Um den geliebten Wilhelm schlang
Sie ihre Lilienhände.

Und hurre hurre, hopp hopp hopp!
Gings fort in sausendem Galopp,
Dass Ross und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.
Wie flogen rechts, wie flogen links,
Gebirge, Bäum und Hecken!
Wie flogen links und rechts und links
Die Dörfer, Städt und Flecken! –

Graut Liebchen dir? – Der Mond scheint hell! –
Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen dir vor Toten? –
Ach! Wilhelm, lass die Toten! –
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitsbette tut sich auf!
Die Toten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle. –

Da sieh! Da sieh! im Augenblick,
Sieh nur! ein grässlich Wunder!
Des Reiters Kleidung, Stück für Stück,
Fiel ab, wie mürber Zunder.
Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf,
Sein Körper zum Gerippe,
Mit Stundenglas und Hippe.

Hoch bäumte sich, wild schnob sein Pferd,
Und sprühte Feuerfunken.
Wie Nebel war es in der Erd
Verschwunden und versunken.
Sie hört Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel hört sie aus der Gruft.
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.

 
 
9 
 April 
 
2012

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Schilf-Lieder 1. – 5.

1
Drüben geht die Sonnen scheiden,
Und der müde Tag entschlief.
Niederhangen hier die Weiden
In den Teich, so still, so tief.

Und ich muß mein Liebstes meiden:
Quill, o Träne, quill hervor!
Traurig säuseln hier die Weiden,
Und im Winde bebt das Rohr.

In mein stilles, tiefes Leiden
Strahlst du, Ferne! hell und mild,
Wie durch Binsen hier und Weiden
Strahlt des Abendsternes Bild.

2
Trübe wird’s, die Wolken jagen,
Und der Regen niederbricht,
Und die lauten Winde klagen:
„Teich, wo ist dein Sternenlicht?”

Suchen den erloschnen Schimmer
Tief im aufgewühlten See.
Deine Liebe lächelt nimmer
Nieder in mein tiefes Weh.

3
Auf geheimem Waldespfade
Schleich ich gern im Abendschein
An das öde Schilfgestade
Mädchen, und gedenke dein!

Wenn sich dann der Busch verdüstert,
Rauscht das Rohr geheimnisvoll,
Und es klaget, und es flüstert,
Daß ich weinen, weinen soll.

Und ich mein, ich höre wehen
Leise deiner Stimme Klang
Und im Weiher untergehen
Deinen lieblichen Gesang.

4
Sonnenuntergang;
Schwarze Wolken ziehn,
O wie schwül und bang
Alle Winde fliehn!

Durch den Himmel wild
Jagen Blitze, bleich;
Ihr vergänglich Bild
Wandelt durch den Teich.

Wie gewitterklar
Mein ich dich zu sehn,
Und dein langes Haar
Frei im Sturme wehn!

5
Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel,
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken,
Wie ein stilles Nachtgebet!

 

Dichtung Nikolaus Lenau
Lesung Arnold Frank
Bereitstellung wortlover