Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

9 
 April 
 
2012


 

Inwieweit der Grundsatz ethischen Handelns gerade um die friedliche Weihnachtszeit einen hochheiligen Anklang findet, lässt sich wohl aus den Verkaufszahlen der Fleischindustrie ablesen.

Irgendwie gebärdet sich die Spezies Mensch schizophren:
Einerseits ein höchst ästhetisch veranlagtes Wesen, das am Heilig Abend mit bedächtigem Sinn und fühlendem Herzen in architektonische Kunstbauten eines Gotteshauses strömt, um derorts mit feuchtem Auge und geradezu ekstatischer Entzückung im Liebschall erhobener Stimme den Schöpfer aller Dinge lobt und anschließend sich beim Weihnachtsessen barbarisch über dessen leidensfähigen Geschöpfe hermacht, obwohl der Mensch doch “den Garten [Eden] bewahren solle, mit weisem Regieren und Achtung seiner Geschöpfe”.

Bekanntlich kommt ja zuerst das Fressen und dann die Moral (Bertolt Brecht), wobei letztere wiederum vom leuchtenden Tannenbaum überstrahlt wird und die darunter angesammelten Geschenke es dem menschlichen Geist leicht machen, aufkommende Bedenken an der nicht bibelkonformen Esskultur zu zerstreuen.
Konkret denke man auch an die süßen Entchen in einem Bach, die man desöfteren schon mit Brot(-Resten) gefüttert hat und so seiner Tierliebe selbstschmeichelnd gehuldigt hat, andererseits aber um die friedensverheißende Weihnachtszeit diesen in knuspriger Form rein kullinarisch begegnen möchte: „Lasset unsre Häupter senken und an unsren Schöpfer denken. Wie reich hat uns doch unser himmlischer Vater beschenkt. Halleluja. AMEN“.

Man sieht, der Mensch ist äußerst ambivalent und jeder backt sich eben seine eigenen Weihnachtsplätzchen so, wie er sie haben will und mundgerecht bekömmlich sind.

Letztlich ist alles nur eine Frage der Auslegung, ein diffuses Aufschimmern lassen selbstdienlicher Moral … eine Sache der konstruierten Legitimation.